Vater von Johann Heinrich Richartz
Johann Richartz, der Vater von Johann Heinrich Richartz, dem Begründer des Wallraf Richartz Museums in Köln.
Der edle Mann, der in hochherziger Gesinnung seine Vaterstadt mit dem Prachtbau eines neuen Museums beschenkte, war am 15. Mai 1796 zu Köln geboren und starb daselbst am 22. April 1861. Er widmete sich dem Kaufmannsstande und setzte seines Vaters Geschäft in exotischen Häuten fort, das durch das Hinzutreten von Gesellschaftern einen großartigen Aufschwung gewann.
Die Firma J. H. Richartz & Co. stand in direkter Verbindung mit den La-Platastaaten und hatte daselbst zum Zwecke der Einkäufe von Wildhäuten ihren fest domizilierten Vertreter. Ein reicher Ertrag war der Lohn des geschäftlichen Wirkens, und als sich R. 1851 ins Privatleben zurückzog, fand er sich im Besitze eines sehr bedeutenden Vermögens. Sein einfaches, anspruchsloses Wesen konnte bis dahin die öffentliche Aufmerksamkeit nicht auf ihn lenken, wenngleich er gegen alle Menschen wohlwollend war und in mehreren Fällen, wo es galt, ein ohne Verschulden gefährdetes Familienleben zu retten, mit fürstlicher Freigebigkeit eintrat.
Die freudigste Überraschung bereitete er seinen Mitbürgern, als in der Gemeinderatsitzung vom 3. August 1854 der Oberbürgermeister Stupp den Gemeindevertretern den Inhalt eines von demselben Tage datierten Schreibens von R. mittheilte, worin derselbe sich erbot, „zur Bestreitung der Baukosten eines neuen städtischen Museums Anfangs nächsten Jahres an die Stadtkasse die Summe von einmalhunderttausend Thalern gegen eine jährliche Rente von vier vom Hundert einzuzahlen“. Er fügte diesem Anerbieten hinzu, dass die erwähnte Rente mit seinem Tode erlöschen und das Capital der Stadt als freies Eigentum verbleiben solle. Dem Geschenkgeber wurde von dem Collegium der innigste Dank ausgesprochen und in das Protokollbuch die Erklärung aufgenommen, das derselbe sich um seine Vaterstadt hochverdient gemacht habe. Die Bürgerschaft beeilte sich, ihm am nächstfolgenden Abend durch einen glänzenden Fackelzug ihre Dankbarkeit zu beweisen.
Die Zustände des Kölner Museums, d. h. des der Stadt als Geschenk überwiesenen Wallraf’schen Kunstnachlasses, waren von traurigster Art und riefen vielfache ebenso bittere als wohlbegründete Tadelsäußerungen hervor. In einem alten, verkommenen Gebäude in der Trankgasse war zwar ein Theil der Gemälde und die antiken Skulpturen aufgestellt und sonntäglich dem Publikum, bei freiem Eintritt, die Anschauung gestattet; in fast gleicher Anzahl aber lagen die Gemälde, darunter manches sehr wertvolle, in einer Remise, in Stallungen und auf Korridoren aufgetürmt und den Einflüssen der Witterung und allen beschädigenden oder zerstörenden Zufälligkeiten preisgegeben. R. war bisher von der Pflege der Kunstliebhaberei ferngeblieben, obwohl sein Gemüht für die Eindrücke des Großen, Schönen und Edlen stets empfänglich gewesen war. Ein aus Freundesmund vernommenes Wort des Tadels, dass die reiche Stadt Köln keinen Sinn und keine Dankbarkeit für das herrliche Vermächtnis ihres Wallraf habe, und eine daran geknüpfte leise, kaum im Ernst gemeinte Aufmunterung an R., hier als Retter aufzutreten, zündete in seinem patriotischen Herzen und rief den festen, hochherzigen Entschluss zur Abhülfe bei ihm hervor.
Er blieb bei seiner ersten Gabe nicht stehen. Jeden Gedanken, der darauf hinzielte, dem Bauwerk einen reicheren Schmuck zu verleihen, griff er auf und stellte, wenn er ihn zweckmäßig fand, die Mehrkosten bereitwillig zur Verfügung, sodass der Gesamtbetrag der Schenkung sich auf nahezu zweimalhunderttausend Thaler beläuft. Auch für die Herstellung der neben dem Museumsgebäude gelegenen schönen Minoritenkirche, die sich dem Baustil des ersteren harmonisch anschließt, gab er eine beträchtliche Summe. Dem hochverdienten Manne wurden nun von allen Seiten Beweise der Anerkennung und Verehrung zu Theil.
König Friedrich Wilhelm IV. verlieh ihm den Titel eines königlichen Kommerzienrates und den roten Adlerorden 3. Classe. Die Universal Society for the encouragement of arts and industry übersandte ihm im Juni 1857 eine goldene Medaille und die königliche Akademie der Künste zu Berlin ernannte ihn zu ihrem Ehrenmitglied. Das Museum, zu dessen Baumeister er seinen Freund Joseph Fetten berufen hatte, ging seiner Vollendung entgegen und der 1. Juli 1861 wurde für die Eröffnungsfeier bestimmt. Da erkrankte R. plötzlich um die Mitte des April an einem heftigen Brustleiden, das in wenigen Tagen dem Leben des unvergesslichen Mannes ein allzu frühes Ziel setzte. Als er die Stunde der Auflösung herannahen fühlte, wollte er nicht scheiden, ohne nochmals über das Grab hinaus von seinem Mitgefühl für unverschuldetes Elend, seiner Liebe zur katholischen Kirche und zu seiner Vaterstadt, sowie von seiner Begeisterung für die Kunst Zeugnis abzulegen.
In seinem letzten Willen bestimmte er hunderttausend Thaler zur Gründung einer städtischen Irrenanstalt, jedoch so, dass die Zinsen zehn Jahre lang zur Erwerbung von Gemälden älterer und neuerer Meister für das Museum verwandt werden sollen. Zum Ausbau der Minoritenkirche wurden nochmals 9000 Thaler angewiesen, der Dom erhielt 2500 Thaler, ebenso viel die Pfarrkirche zu St. Jacob, und zur Dotation einer Freistelle an der rheinischen Musikschule vermachte er 2000 Thaler. Mit Ergebung nahm er die höhere Fügung auf, dass er den Tag nicht erleben sollte, auf den er sich so lange und so herzlich gefreut. Die ganze Stadt war wie niedergeschmettert durch die Kunde von seinem Tode. Er erhielt seine Grabesstätte auf dem Friedhof zu Melaten neben Wallraf, mit dem er, wie verschieden auch ihre Lebenswege und Bestrebungen waren, in dem Charakterzuge zusammentraf, dass sie mit begeisterter Liebe ihrer Vaterstadt zugetan waren.
König Wilhelm und die Königin Augusta drückten unterm 24. April mit eigenhändigen Schreiben der Stadt Köln ihre Teilnahme an dem Verluste des würdigen Mannes aus, „der das, was Redlichkeit und Rechtlichkeit ihm an Glücksgütern zuführte, auf das Edelste. Wohltätigste und Uneigennützigste zum Wohl seiner Mitbürger verwandte und seiner Vaterstadt das Vorbild echten Gemeinsinnes hinterlässt“. An dem Wohnhause des Verstorbenen (auf dem Blaubach) ließ die Stadt eine Gedenktafel anbringen.
Quelle: Merlo, J. J., “Richartz, Johann Heinrich” in: Allgemeine Deutsche Biographie 28 (1889), S. 421-423 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116508752.html…