Dr. Heinrich Claessen (1813 – 1883)

Arzt und Gründer einer Augenklinik in Köln

Mit Dr. Heinrich Claessen ist ein Bürger unserer Stadt zu Grabe getragen worden, dessen Name nicht nur hier mit großer Achtung und Anerkennung seines Wirkens genannt wurde, sondern auch weit über das Weichbild Kölns hinaus bekannt war. (Unter Weichbild versteht man ein Gebiet, das innerhalb von Orts- oder Stadtgrenzen liegt, ein Gebiet mit eigener Gerichtsbarkeit oder einen städtischen Raum. Der Wortteil Weich kommt dabei von einem alten Wort für Siedlungen).

Im Februar des denkwürdigen Jahres 1813 war er in Erkelenz, Regierungsbezirk Aachen, geboren. Schon als Knabe zeigte er jene rasche Fassungsgabe und Energie, gepaart mit großem Fleiß und zäher Ausdauer, die ihn in seinem späteren Leben zu so vielen Erfolgen führten.

Nachdem er sich auf die Universität vorbereitet, wählte er zu seinem Berufe den des Arztes; doch beschränkte er seine Studien nicht nur auf die medizinischen Fächer, sondern betrieb auch mit Vorliebe Geschichte und philosophische Studien. Als Arzt ließ er sich hier in Köln nieder und errichtete eine Augenklinik, der er mit den Ärzten Dr. Thomé und Dr. Stude in segensreicher Tätigkeit vorstand, bis zum Jahre 1848.

Die damals hochgehenden politischen Wogen entrissen auch ihn, den politisch angelegten Mann mit offenem Auge für das öffentliche Leben und warmem Herzen für Volk und Vaterland, seinem Berufe. Wir finden ihn im öffentlichen Leben nun mehrere Jahre als Mitglied der zweiten Kammer, ferner als Vorsteher des preußischen Preßebureaus in Frankfurt unter dem Bevollmächtigten bei der deutschen Centralgewalt, dem früheren Ministerpräsidenten Ludolf Camphausen, und als Mitglied des Erfurter Parlaments.

Er gehörte seiner Richtung nach zu den „Altliberalen“, wie sie zu jener Zeit genannt wurden, d. i. der alten rheinischen Verfassungspartei, welche seit dem Thronwechsel 1840 für die Gewährung einer einheitlichen Verfassung eintrat und 1847 mit dem „Vereinigten Landtage“ sich nicht befriedigt erklären konnte, aber 1848 den gesetzlichen Boden festgehalten wissen wollte. Diese Partei bildete nach Annahme der „oktroyierten Verfassung“ von 1850 die parlamentarische Opposition gegen die damalige Reaktion.

Unter dem Ministerium der „liberalen Ära“ gehörte Claessen mit Bürgers und von Ammon zur damaligen sogenannten „constitutionellen Partei“ und war mit den oben genannten für diese Partei in unserer Stadt bei Wahlen usw. tätig. Nach dem Sturz der „liberalen Ära“ zog sich Claessen vom öffentlichen politischen Leben mehr und mehr zurück und wirkte nur noch im engeren Kreise der liberalen und nationalen Sinne.

Sein praktischer Sinn und seine große Arbeitskraft fanden in seiner neuen bürgerlichen Stellung ein passendes Arbeitsfeld. Bei Begründung der Lebensversicherungs-Gesellschaft Concordia im Jahre 1853 wurde er zum General-Direktor ernannt, und diese entwickelte sich unter seiner langjährigen vorzüglichen Leitung zu einer der bedeutendsten und geachtetsten Gesellschaften Deutschlands.

Ende 1881 zwangen Gesundheitsrücksichten ihn zum Rücktritt aus dem ihm so lieb gewordenen und von Erfolg gekrönten Wirkungskreise. Bei vielen Unternehmen war er mit tätig und Mitbegründer; so rief er, um nur einiges anzudeuten, die Köln-Krefelder Eisenbahn ins Leben und war Mitglied des Verwaltungsrates der Rheinischen Eisenbahn von Mitte der sechziger Jahre bis zu seinem Tode.

In die Gemeindevertretung Köln war er schon für 1847 gewählt worden. 22 Jahre lang bekleidete er das Amt eines Stadtverordneten, das er als die Parteiverschiebung durch Anwachsen des Centrums seine Wiederwahl in der dritten Klasse zweifelhaft machte, freiwillig 1869 niederlegte, da er von einer anderen Klasse als der Dritten nicht gewählt sein wollte. In den städtischen Kommissionen zeichnete er sich als tüchtiger Arbeiter und im Plenum durch seine, wenn auch nicht sehr häufigen, aber immer scharfen und treffenden Auseinandersetzungen und Bemerkungen aus.

Er durchschaute mit klarem Verstande und unterstützt durch die vielen Beobachtungen, die er während seiner politischen und literarischen Tätigkeit zu machen Gelegenheit gehabt, um was es sich für Deutschland handelte, als preußisch-österreichische Zerwürfnis im Jahre 1866 den Krieg fast unvermeidlich erscheinen ließ. Und so trat er als einer der schlagfertigsten Kämpfer sowohl in der Presse, u.a. durch eine Erklärung in der Kölnischen Zeitung, wie im Stadtverordneten-Kollegium gegen den Antrag derjenigen auf, welche eine Adresse an den König zugunsten des Friedens vorschlugen.

Mit hingebender Begeisterung begrüßte er die nun für die Einheit und Macht unseres Vaterlandes ausschlaggebenden sich folgenden Ereignisse, die das brachten, wofür er geschwärmt und gestritten hat. Heißt es ja in einem uns vorliegenden Briefe aus Frankfurt aus dem Jahre 1848 an die hiesigen Parteigenossen: „Ich meines Teils kämpfe in Frankfurt für Preußen, wie ich in Berlin die gerechten Ansprüche der Rheinprovinz vertreten möchte, und endlich in der Rheinprovinz an der Stadt Köln als der Metropole festhalte.“

Diese eine Stelle kennzeichnet den Verstorbenen wie er lebte und webte. Wenn er sich auch in den letzten Jahren ganz vom politischen und öffentlichen Gebiete zurückzog, da sein Gesundheitszustand eine anstrengende Tätigkeit ihm nicht mehr erlaubte, so war er doch der liberalen Partei stets treu und unterstützte diese und ihre Bestrebungen stets mit Rat und freigiebiger Hand, die man auch immer bei ihm fand, wenn es sonst galt hier in unserer Vaterstadt Gutes und Schönes und das allgemeine Wohl und die Kunst Förderndes ins Leben zu rufen.

Der große Leichenzug, an dem sich die Spitzen unserer Behörden, die hervorragendsten Mitglieder unserer Bürgerschaft sowie zahlreiche Bürger aller Stände beteiligten, gab Zeugnis, dass man ihn und seine Verdienste, sein Wirken und Schaffen nicht vergessen hat, wohl sobald auch nicht vergessen wird.

Ein Nachruf aus der Kölnischen Zeitung vom 19.10.1883

Eigene Recherche © Wolfgang Kranz

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