Das Mädchen Jambga (???? – 1898)

Das Begräbnis einer Amazone

Eine Zeitreise, es ist Samstag der 30. August 1890

Das Amazonen-Corps aus der Leibwache des Königs von Dahomey, bestehend aus 28 Personen, hat vorgestern Nachmittag in Castan`s Panoptikum seine interessanten Vorstellungen begonnen. Die 20 weiblichen Personen entstammen der durch ihre grausame Kriegslust bekannten Armee in Unterröcken, welche der despotische König von Dahomey im Norden der sogenannten „Sklavenküste“ Ober-Guineas sich hält.

Wie die Afrika-Reisenden erzählen, werden die für den Kriegsdienst bestimmten Weiber aus den besten Familien des Landes ausgewählt und ihre Zahl beläuft sich auf 4000, die in mehreren Regimentern gegliedert sind. Dieselben werden in strenger Zucht gehalten, beständig im Gebrauch der Waffen, die hauptsächlich aus schweren Feuerstein-Gewehren und Säbeln bestehen. Ihren Mut sowie ihre kriegerische Tüchtigkeit haben noch kürzlich die Franzosen kennen gelernt.

Die Einwohner des Königreichs Dahomey gehören der Neger-Race (Rasse) an und auch bei den hier vorgeführten Amazonen treten die Eigentümlichkeiten dieser Menschen-Race in Körpergestalt, Hautfarbe und Gesichtsbildung deutlich hervor. Die Weiber sind nicht übermäßig, aber gut entwickelt, ihr Körperbau sehr muskulös und geschmeidig und naturgemäß tritt in dem ganzen Wesen dieser Kriegerinnen das eigentlich Weibliche sehr zurück. Als Kriegerinnen des Königs sind dieselben durch drei auf den Backen tätowierte Streifen gekennzeichnet.

Ihre Kleidung besteht hauptsächlich aus buntem, wollenem Tuch, welches ungefähr bis an die Knie reicht und von einem um die Lenden befestigten ledernen Gürtel gehalten wird. Dieses Hauptkleidungsstück ist am Oberkörper nach Art eines Mieders ausgebildet, welches durch zwei über die Schultern führende und auf dem Rücken überkreuzte Bänder befestigt ist, so dass die Kleidung für afrikanische Kriegerinnen als sehr dezent bezeichnet werden muss. Das Mieder, wenn wir uns des Ausdrucks bedienen wollen sowie dessen Halter, ferner die um die Stirn gebundenen Bänder, durch welche das flach auf dem Kopf liegende Haar befestigt wird.

Nach Angaben des Unternehmers (Panoptikum) Herrn Hood, schwankt das Alter der Amazonen zwischen 18 und 25 Jahren, außer einem neunjährigen Mädchen, der Schwester der Oberkriegerin Yumma. Die männlichen Krieger zeichnen sich durch starken Körperbau, staunenswerte Gelenkigkeit und große Wildheit aus.

Die Truppe führt die religiösen Gesänge vor dem Auszug ins Gefecht, dann Übungen mit dem Gewehr, heimatliche Unterhaltungsspiele, Waffentanz, den nationalen Freudengesang und Tanz nach errungenen Siegen und schließlich die Opfertänze vor, welche bei dem alljährlichen Opferfest vor dem König stattfinden und bei dem Menschenopfer geschlachtet werden. Die Marsch- und Gewehrübungen wurden unter dem Kommando der Oberkriegerin sehr feurig und exakt ausgeführt. Besonders geübt scheinen die Amazonen in der Handhabung der langen Schlachtmesser zu sein, mit welchen sie bei den Tänzen auch den in der vordersten Reihe sitzenden Zuschauer zuweilen ganz unheimlich nahekommen. Die Wildheit, welche die Leute bei allen ihren Vorführungen an den Tag legen, lässt über die Echtheit keinen Zweifel aufkommen. Unstreitig ist das Amazonen-Corps die interessanteste Truppe, welche das Panoptikum bisher beherbergt hat. Der großen Unkosten wegen, welche die Vorführung derselben der Leitung verursacht, wird zu den Vorstellungen ein besonderes Eintrittsgeld erhoben.

 

Köln, 5. November 1898, es ist Allerseelen

Das Mädchen Jambga – Das Begräbnis einer Amazone

 

Auf Allerseelen 1898 fand auf dem Melaten Friedhof ein seltenes Begräbnis statt. Eine Amazone der Truppe, welche in Castan`s Panoptikum ihre Vorstellungen gibt, war vorige Woche an Lungenentzündung erkrankt, der behandelnde Arzt ordnete eine Unterbringung in das hiesige Bürgerkrankenhaus an und am Samstag raffte der Tod das sonst kräftige Mädchen dahin.

Gemäß Zertifikat des englischen Konsuls aus Dahomey hieß die Verstorbene Jambga, war 16 ½ Jahre alt, geboren in Dahomey, Religion Fetisch (Fetischismus bezeichnet im religiösen Sinn den Glauben an übernatürliche persönliche Geister oder unpersönliche Mächte, die in bestimmten Gegenständen wohnen, und deren Verehrung als heilige Objekte). Sie gehörte erst 6 Monate der Truppe an und ist mit noch 9 anderen unter Führung eines Kriegers im Februar des Jahres von Dahomey nach Deutschland gekommen. Als am Samstag ihr Tod bei der Truppe bekannt wurde, weinten alle ihre Genossen; man hörte nur lautes Schlurzen und Wehklagen in den Räumen der Afrikaner.

Nach Schluss der letzten Vorstellung baten die Amazonen um Erlaubnis, am Abend die Totenfeier aufführen zu dürfen, jedoch dürfte dabei kein Weißer zugegen sein. Die Totenfeier mit all ihren Zeremonien fand alsbald auf den sehr geräumigen Schlafsälen im Panoptikum statt. Sämtliche Betten waren ausgeräumt, in dem einen Saal befanden sich die Männer, in dem anderen die Weiber allein. Leider hat keiner der Angestellten Zutritt erhalten, um von dieser eigenartigen Feier, die von 8-10 Uhr dauerte, Kunde geben zu können. Von draußen vernahm man nur Trommelschlag, Tanzen und Exercitien, dabei ohrenzerreißendes Schreien und Heulen. Um 10 Uhr war die Ruhe wieder eingekehrt und alle Mitglieder lagen vollständig ermattet von dem Schreien und Tanzen auf ihren Betten.

Für Montag war die Beerdigung auf dem Melaten Friedhof angesetzt. Die Oberkriegerin Yumma begab sich mit zwei Verwandten der Verstorbenen im vollen Kriegsschmuck, in ihre Mäntel gehüllt zu der Toten, die in der Totenkapelle des Hospitals aufgebahrt war. Hier forderte Yumma ein Tuch und bat, man möge sie mit den Ihrigen allein lassen, da bei den Zeremonien wieder kein Weißer zugegen sein dürfe, was auch geschah. Nach einer halben Stunde ermahnte die Angestellte zum Aufbruch, da der Sarg geschlossen werden müsse.

Die Tote lag mit offenen Augen, den Blick nach außen gerichtet, wie dies von den Amazonen verlangt wird, da sonst die Tote nicht erlöst werden könne. Sie verlangten jedoch bei dem Schließen des Sarges anwesend zu sein. Der Sarg wurde darauf zum Friedhof Melaten geschafft. Die drei Amazonen folgten in einem Wagen. Auf dem Gottesacker erwarteten dieselben eine ungeheure Menge an Menschen; der Führer des Leichenwagens hatte seine liebe Not durchzukommen. Hinter dem Wagen schritt Yumma mit ihren zwei Kriegern. Am Grabe angekommen, sprach Yumma in ihrer Muttersprache folgende Worte, die durch einen Dolmetscher übersetzt wurden:

 

Jambga, teure Kriegerin unseres mächtigen Königs von Dahomey, teure Schwester, du bist von Hause ausgezogen gegen die Sonne, um dir und deiner Familie Geld zu verdienen und heimzukehren zu den Deinigen. Fetisch, dein Gott, den Du verehrt hast, hat es anders gewollt und dich hier sterben lassen in fremder Erde, aber Deinen Geist hat er mitgenommen nach Afrika, er ist jetzt wieder bei Deinem Gott. Schlafe wohl, auf Wiedersehen, teure Schwester.

Hierauf warfen die Gefährtinnen einige Hände Erde auf den Sarg und verließen weinend den Friedhof.

 

Anmerkung: Die Texte stammen aus Zeitungsartikeln im Jahr 1890 und 1898 des Zeitungsportal NRW, sie spiegeln den Zeitgeist wider und sind natürlich nicht mit der heutigen Ansicht über Menschen und Menschenrechte vergleichbar. Die Grabstätte von Jambga in Flur 17 wurde abgeräumt und existiert nicht mehr.

Quellen Text: Zeitungsportal NRW
https://zeitpunkt.nrw/?fbclid=IwAR03_vcqCV9QgETW3Yv3bIaH4ri53KY51JL21uxpGMLZqfabTBlN8UWsD0o

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