Alice Haubrich (1892 – 1944)

Kinder- und Frauenärztin

Alice Grabowski wurde am 11. Januar 1892 im westpreußischen Konitz geboren und wuchs im bergischen Elberfeld auf, ihre Eltern stammten aus der Provinz Posen. Die Provinz Posen (identisch mit dem Großherzogtum Posen) war eine von 1815 bis 1920 bestehende Provinz im Osten des Staates Preußen auf dem Territorium des historischen Großpolen. Die Provinz gehörte von 1848 bis 1851 teilweise zum Deutschen Bund, ab 1867 vollständig zum Norddeutschen Bund und ab 1871 zum Deutschen Reich. Sie hatte eine Fläche von knapp 29.000 km² und war landwirtschaftlich geprägt.

Ende des 19. Jahrhunderts war Alice Grabowski mit ihren Eltern ins bergische Land gekommen, nach 10-jähriger Rabbinertätigkeit im westpreußischen Konitz hatte ihr Vater Victor Grabowski die Synagogengemeinde Elberfeld übernommen. Alice besuchte im benachbarten Mittelbarmen eine höhere Mädchenschule und später eine Privatschule, mit 18 bestand sie im Frühjahr 1910 die Reifeprüfung.

Alice machte 1910 ihr Abitur in Remscheid und begann noch vor dem ersten Weltkrieg ein Medizinstudium in Bonn, im Sommer 1912 machte sie die ärztliche Vorprüfung in Bonn und schloss 1915 das Staatsexamen ab, am 01.05. 1916 erfolgte ihre Approbation zur Kinder- und Frauenärztin.

Bis 1926 war sie mit Dr. med. Fritz Gottschalk verheiratet, aus der Ehe ging eine Tochter Anneliese (geb. 20. Oktober 1920) hervor, auch sie wurde später Ärztin. Am 25. Juli heiratet Alice in zweiter Ehe den Juristen Dr. Josef Haubrich. Der Sammler moderner Kunst und seine Frau Alice gehörten aktiv der Kölner Kunstszene an. Von 1926 bis 1937 war Alice als Kinderärztin in Köln tätig.

Mit dem unbeschwerten Leben war es wenige Jahre nach der Machtübernahme Hitlers vorbei. Der Kunstkenner Haubrich hatte im Jahr 1937 von den Nationalsozialisten, beschlagnahmte Bilder deutscher Expressionisten erworben und diese Bilder versteckt, und damit vor dem Verkauf ins Ausland gerettet. Durch diesen Coup, aber auch auf Grund der Weigerung sich von seiner jüdischen Frau zu trennen, wurde im verboten, weiterhin in der bedeutenden Kanzlei Bodenheim zu arbeiten. Daraufhin machte er sich selbstständig und verlegte seine Anwaltstätigkeit in seine privaten Räume.

Der Ausschluss der niedergelassenen jüdischen Ärzteschaft wurde durch die Verordnung des Reichsarbeitsministeriums wurde am 22. April 1933 erlassen. Vorerst konnte Alice Haubrich-Gottschalk ihren Beruf weiter ausüben, es erfolgten aber immer mehr Einschränkungen, bereits 1938 wurde ihr die Approbation entzogen. Damit musste sie auch ihren Kassennummernstempel und die noch vorhandenen Rezeptformulare zurückgeben, da diese Eigentum der Krankenkassen waren, darüber hinaus hatte sie das Schild „Freie Arztwahl“ zu entfernen.

Die Verschärfung der gegen Juden erlassenen Gesetze und die Reichspogromnacht am 9. November 1938 sorgte natürlich bei Alice für ein permanentes Gefühl der akuten Gefahr. Die Tätigkeit als Ärztin ermöglichte ihr den leichteren Zugang zu Medikamenten, sie konnte sich schon frühzeitig eine Zyankalikapsel besorgen, diese trug sie für „den Notfall“ ständig bei sich. Am 10. Februar erhielt Alice Haubrich-Gottschalk eine Vorladung zur Gestapo, an dem Termin sollte Ihr vermutlich die Deportation mitgeteilt werden. An diesem 10. Februar 1944 beendete sie ihr Leben durch die Einnahme der Zyankalikapsel. Ihrem Beispiel folgten viele weitere jüdische Kinderärzte und Kinderärztinnen, darunter auch Hertha Wiegand und Elsa Kaufmann.

Die Tochter Annelie, die seine Frau mit in die Ehe gebracht hat, konnte Josef Haubrich mit Hilfe einer Bestechungssumme in Wien unterbringen. Als Krankenschwester gelang ihr in der Endphase des Krieges die Flucht nach Dänemark. Nach Kriegsende kehrte die Tochter von Alice Haubrich-Gottschalk zu ihrem Stiefvater zurück, absolvierte das Medizinstudium und praktizierte als Assistenzärztin an der neurologischen Klinik in Köln.

Eigene Recherche: © Wolfgang Kranz

 

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