Wolfgang Müller (1816 – 1873)

Arzt, Politiker sowie Dichter patriotischer Lyrik, beliebter Volkslieder und Sagen

Peter Wilhelm Carl Müller, der ab 1845 den Künstlernamen Wolfgang Müller von Königswinter führte, war eine begabte, schillernde Persönlichkeit. Er gehörte in seiner Zeit zu den viel gelesenen Dichtern der Spätromantik in Deutschland.

Peter Wilhelm Carl Müller wurde am 5.3.1816 als Sohn des Dr. med. Georg Müller (1780-1842) und seiner aus Bodendorf an der Ahr stammenden Ehefrau Johanna Katharina (1795-1876) in Königswinter geboren. Die Familie war katholisch. 1820 wurde der Vater Kreisphysikus in Bergheim an der Erft. 1828 wechselte er beruflich nach Düsseldorf, wo der Sohn einen wichtigen Teil seiner Kindheit verbrachte und wesentliche Impulse für seinen weiteren Lebensweg empfing. Im Elternhaus erhielt er eine reiche musische Förderung, besuchte bereits als Schüler mit den Eltern die Ausstellungen der Düsseldorfer Akademie und entwickelte ein romantisches Kunstverständnis, das unter anderem geprägt war von den Werken Karl Simrocks und Joseph von Eichendorffs (1788-1857). Der Romantik blieb er bis an sein Lebensende verbunden. Der Maler Jakob Lehnen (1803-1847), der zum Freundeskreis der Familie in Düsseldorf gehörte, erweckte in ihm das Interesse an der Bildenden Kunst, dass ihn zum bedeutenden Kritiker und somit auch vielfältigen Förderer der Düsseldorfer Malerschule um die Mitte des 19.Jahrhunderts werden ließ.

Als Gymnasiast (1827-1835) in Düsseldorf überließ sich Müller von Königswinter einer enthusiastischen Schwärmerei für eine junge Adelige: Stephanie von Nesselrode-Ereshoven (1818–1881), der er Gedichte widmete. 1835 begann er ein Medizinstudium in Bonn. In dieser Zeit (1837) pflegte er Kontakte zur Familie Schadow in Düsseldorf sowie zu Karl Simrock in Bonn, den er zu seinem dichterischen Vorbild erkoren hatte. Ihm widmete er später seine Versdichtung „Die Maikönigin“ (Stuttgart 1852) in geradezu hymnischer Form:

 

„An Karl Simrock…

So bring’ ich heut ein ländlich Bild
Es spielt im sonnigen Gefild,
Den Siebenbergen nicht gar fern,
Wo ich entsproß, und wo du gern
Im Sommer wohnst. Ich webte drein
Volksleben, Sitt und Brauch vom Rhein
Aus alter Zeit. Wie ich’s gefaßt,
Dünkt mir, daß deiner Art es paßt.
O nimm – sei’s beiden uns zur Ehre!
Dies Lied für deine Lieb’ und Lehre!“

 

Das bei Cotta erschienene, liebevoll ausgestattete Büchlein fand wohlgefällige Aufnahme. Die liebevolle Schilderung rheinischen Brauchtums im Jahreslauf, eingebettet in eine Liebesgeschichte, korrespondiert mit Genre-Bildern der Düsseldorfer Malerschule, die ihm offensichtlich Anregungen boten für dieses Werk, das ihn nachhaltig wegführte von einem Kapitel seiner Dichtung und seines Lebens, das er in der Folge nach 1852 verschämt zu verschweigen suchte: Es war seine aktive Hinwendung zum Vormärz und seine Sympathie für die 1848er Revolution in Düsseldorf gewesen, wo er als Militärarzt unmittelbar nach dem Studium 1840 zunächst als Wehrpflichtiger zu arbeiten begonnen hatte. Nach dem Tod des Vaters 1842 übernahm er dessen Praxis und war gleichzeitig als Armenarzt tätig. Auch Künstler der Akademie behandelte er; diese zahlten oft mit Zeichnungen oder Bildern, so dass er eine schöne Sammlung zusammen bekam. Doch seine eigentliche Leidenschaft galt der Dichtung.

Zurück zu den Studienjahren Müllers von Königswinter: 1838/1839 begann die bis zu seinem Tod währende Freundschaft mit Ferdinand Freiligrath.

1839 ging Müller nach Berlin, um dort sein Studium schneller abschließen zu können als in Bonn. Er suchte den Kontakt zu den Schadows und Bendemanns. Mit beiden Familien stand er bereits in Verbindung, nicht zuletzt über Julius Hübner (1806-1882), einen seiner besten Freunde, der mit Pauline Bendemann (1809-1895) verheiratet war. Ebenso suchte Müller von Königswinter in Berlin Kontakt zu Joseph von Eichendorff (1788-1857). Ein weiterer enger Freund war der Dichter Alexander Kaufmann (1817-1893), der spätere Archivar des Fürsten Löwenstein in Wertheim. Die Begabung zur Freundschaft hinderte Müller von Königswinter allerdings nicht daran, über seine Zeitgenossen negative Urteile zu fällen. 1841 erschienen die „Jungen Lieder“, die eine Art Grundsatzerklärung seiner Lebensmaxime enthalten: das Thema „Freiheit“, das ihn über die 1848er Jahre hinaus begleitete. Ganz wesentlich dafür dürfte auch die seit 1838/1839 bestehende und bis zu seinem Tod währende Freundschaft mit Ferdinand Freiligrath sein.

Am 9.1.1842 trat er seine erste Reise nach Paris an, wo er am 1. April zufällig mit Heinrich Heine (1797-1856) zusammentraf. Heines Werk und Tod spielten für ihn später noch eine wichtige Rolle. Die Dichtung „Höllenfahrt von Heinrich Heine“, die er 1856 anonym veröffentlichte, wirft aber ein eher ungünstiges Licht auf ihn. Außer Frage steht, dass er sich zu sozialen Reformen hingezogen fühlte. Er bekannte seine Sympathie für die sozialistischen Ideen des Vormärz und die umstürzlerischen Pläne in Briefen und nahm Anteil am Schicksal Hoffmanns von Fallersleben (1798-1874), dem er nach dessen Entlassung aus dem Staatsdienst 100 Taler überwies.

Dass Müller von Königswinter mit den Ideen der Sozialisten und Kommunisten der Zeit sympathisierte, zeigt, dass Friedrich Engels ihn 1845 in „Rascher Fortschritt des Kommunismus in Deutschland“ erwähnt. Es war die Zeit, als wichtige Genrebilder mit sozialem und politischem Inhalt in Düsseldorf erschienen: Carl Wilhelm Hübners „Weber“ wurde bereits erwähnt, ein nicht minder deutliches Bild war sein „Jagdrecht“ (1846). Peter Schwingens „Nicht versteuertes Brot“ (1846), „Die Pfändung“ (1844), dass „Schießen um ein fettes Schwein“ (1844) müssen ebenso wie Hübners Werke Aufsehen erregt haben. Die preußische Regierung erkannte und beobachtete dieses „Band zu der Französischen Revolution“ mit Argwohn.

Offensichtlich bewegt von den sozialen Verwerfungen der Zeit, verfasste Müller von Königswinter 1846, dem Jahr einer Missernte mit darauf folgender Hungersnot, die „Bruderschaftslieder“. Sie erschienen ohne Autorangabe. Auf S. IV findet sich dort in der Einleitung ein eindeutiges Bekenntnis zu seiner Sicht auf die sozialen Fragen der Zeit:

 

Ihr quillt aus einem Herzen,
Das für die Menschheit glüht,
Und das bei ihren Schmerzen
Wie eine Rose blüht,
Das tief des Hungers Schreien,
Des Jammers Hilferuf fühlt.

 

Die Konsequenz war, dass die „Bruderschaftslieder“ in Preußen verboten wurden. In den „Oden an die Gegenwart“ feierte Müller von Königswinter die 1848er Revolution.

Später hat Müller von Königswinter seine Revolutionslieder und Dichtungen verschwiegen, er wollte nur noch als romantischer Dichter wahrgenommen werden. Seine Wandlung zum bürgerlichen Liberalen vollzog sich auch vor dem Hintergrund seiner Eheschließung am 9.11.1847 mit Emilie Schnitzler (1822-1877), der Tochter des Kölner Bankiers Karl Eduard Schnitzler (1792-1864) und seiner Ehefrau Wilhelmine geborene Stein (1800-1869). Die wohlhabende Schwiegerfamilie sicherte dem Poeten ein standesgemäßes Leben. Die Hochzeitsreise am 16.11.1847 führte nach Paris, wo man Heinrich Heine und Alexander von Humboldt (1769-1859) traf. Aus der glücklichen Ehe mit Emilie gingen fünf Kinder hervor: die Söhne Max (1850-1908), Paul (1852-1868) und Hans (1854-1897) und die Töchter Else (1856-1933) und Tony (1857-1883).

Schon ab 1843 erschienen die „Düsseldorfer Briefe“ in der „Kölnischen Zeitung“, wichtige Besprechungen der aktuellen Kunst, die vor allem den Kunstmarkt beflügelten und die Düsseldorfer Maler in den Blickpunkt der Kunstkritik brachten. Müllers Verdienste um die Düsseldorfer Akademie würdigt sein Freund Wilhelm Kaulen (1822-1887) in der „Kölnischen Zeitung“ vom 2.8.1853. Deutlich wird darin auch, dass Müller wohl auch manchen „Widrigkeiten“ infolge seiner Kritik ausgesetzt gewesen ist. Doch bescheinigt Kaulen Müller, dass er stets nur das Wohl der Maler und der Akademie im Sinn gehabt habe und man ihn deshalb doch sehr schätzte, zumal er sich immer auch bei ungerechtfertigten Angriffen schützend vor die Akademie gestellt habe.

Der engere Düsseldorfer Freundeskreis des Ehepaares Müller von Königswinter bestand aus Carl Friedrich (1808-1880) und Ida Lessing (1817-1880), Adolph (1805-1875) und Alwine (1820-1892) Schrödter, Ferdinand Hiller (1811-1885), Karl Sohn (1805-1867), Christian Köhler (1809-1861), Notar Joseph Euler (1804-1886) – er spielte ebenfalls eine wichtige Rolle in der 1848er Revolution -, Richard Hasenclever (1813–1876), Rudolf Jordan (1810-1887), Rudolf (1804-1865) und Marie (1820-1893) Wiegmann, Adolph Tidemand (1814-1876). Richard Hasenclever bewog Müller von Königswinter kurz vor seinem Tod dazu, sich – wie sein Vorbild Karl Simrock – der altkatholischen Kirche zuzuwenden. Unklar ist, ob er tatsächlich offiziell konvertiert ist.

Neben den revolutionären, auch anonym veröffentlichten Schriften Müllers von Königswinter entstand im Jahr 1847 die erste Sammlung von Gedichten. 1848 war Müller von Königswinter aber in Düsseldorf tatsächlich bei den revolutionären Kräften zu finden. Wie Hugo Wesendonck (1817-1900), der seit 1842 als Anwalt in Düsseldorf lebte, nahm er am Frankfurter Vorparlament teil. Gefangen und bewegt von der Aufbruchsstimmung, die vom Frankfurter Parlament ausging, dessen Sekretär Müller von Königswinter wurde, veröffentlichte er die „Oden an die Gegenwart“ und die „Germania – ein satirisches Märchen“ (beide 1848), sehr politische Schriften, die aber weder in Inhalt noch in Form an die Werke Heines heranreichen. Die „Oden“ sind dennoch mutige Gesänge wider die Fürstenwillkür und für die Freiheit des Volkes. Es macht noch heute staunen, dass Müller von Königswinter solche wahrhaft systemkritischen Verse zu schmieden verstand und den Mut besaß, diese auch zu veröffentlichen. Und es macht staunen, dass diese Dichtungen nur ein Verbot in Preußen nach sich zogen, nicht aber persönliche Konsequenzen für den Verfasser. Insbesondere die Kapitel „Den deutschen Fürsten“ und „Die Berliner Märztage“ hätten Stoff genug geboten für staatliche Repressionen. Die „Germania“ ist ein Märchen um die Prinzessin Germania Teut mit ihren zahlreichen Liebschaften und den daraus entsprossenen Söhnen „Aristokratikus“, „Pietistikus“, „Bürokratius“, „Banknotikus“ und dem „Michelchen“. Der Autor bediente darin skrupellos den Zeitgeschmack seiner oftmals latent oder auch offen antisemitisch eingestellten Leserschaft, deren Weltanschauung er offenbar teilte.

Müller von Königswinter schloss sich eng an den 1848 gegründeten Düsseldorfer Künstlerverein „Malkasten“ an, wie er auch dem Düsseldorfer „Verein für Demokratische Monarchie“ angehörte, den Hugo Wesendonck leitete. Er scheint inmitten der brodelnden rheinischen Politküche in Düsseldorf eifrig in den Töpfen gerührt zu haben. Umso mehr erstaunt seine Hinwendung zur Reaktion, was seine chimärenhafte Stellung im politischen Spektrum suspekt erscheinen lässt.

Ab 1850 wird die Flucht Müllers von Königswinter in die vordergründig „unpolitische“ Rheinromantik überdeutlich. In rascher Folge erscheinen: 1850 „Kinderleben in Liedern und Bildern“, mit Bildern von Theodor Mintrop, 1851 „Düsseldorfer Künstler-Album Düsseldorf“, Jahrgang 1-2 (1851-1852) und 10-16 (1860-66), 1851 außerdem „Norwegisches Bauernleben“. Ein Cyclus in 10 Bildern von Adolph Tidemand, lithographiert von J. B. Sonderland“, Düsseldorf (vier Auflagen), „Lorelei“, Rheinische Sagen, Köln, 1852 „Die Maikönigin – Eine Dorfgeschichte in Versen“, Stuttgart.

„Die Maikönigin“ ist eine höchst romantische Liebesgeschichte mit glücklichem Ausgang, die aber durchaus anknüpft an die sozialen Themen, die dem Autor am Herzen lagen. In der „Maikönigin“ erobert ein Knecht des Herrenbauers Töchterlein, das dieser ihm letztlich auch zur Frau gibt. Dem Knecht ist das Glück des wahrhaft Tüchtigen hold. Der Klassenunterschied wird thematisiert in wörtlicher Rede des Herrenbauern. Aufgehoben wird er durch die Handlung. Ein hübsches Stück rheinischer Romantik, mit dem der Schritt weg von der politischen Dichtung der Revolutionszeit hin zur reinen Spätromantik plakativ vollzogen wurde. Als kleiner Hinweis und Seitenhieb auf die Mitglieder des Maikäferbundes, dessen Ehrenmitglied Müller von Königswinter ehedem war, findet sich auf dem Rücktitel des Büchleins, der das glückliche Ende der Handlung illustriert, zu Füßen des Liebespaares ein toter Maikäfer, im Hintergrund die rauchenden Trümmer des im Feuer untergegangenen Herrenbauernhofes. Das Büchlein hat geradezu programmatischen Charakter für die zukünftigen Arbeiten Müllers von Königswinters. Es muss denen, die die Barrikadenkämpfe in Düsseldorf im Mai 1849 mit 16 Toten erlebt hatten, wie blanker Hohn erschienen sein, als hohle Phrase eines Reaktionärs, der die Schilderung des Landlebens benutzt als Folie für seine Phantasien von ausgleichender „höherer“ Gerechtigkeit. Für die Mitglieder des „Maikäferbundes“ muss die Umschlaggrafik besonders schmerzhaft gewesen sein, hatte sich der „Maikäferbund“ doch schon 1846 aufgelöst. Der tote Maikäfer war wie ein spätes Nachtreten.

Die überaus romantischen Werke erschienen in so dichter Folge, dass man geneigt ist, sie als Reaktion auf seine Revolutionsdichtungen zu sehen. Anscheinend wollte er seine revolutionären Aufwallungen vergessen machen und mit diesen romantischen Dichtungen das gebildete Rheinland, das in reichem Maße von der Strukturpolitik der Preußen profitierte, mit der preußischen Politik versöhnen. Es war gerade Düsseldorf, die Residenzstadt am Rhein, die einen Modernisierungsschub erfahren hatte.

Wie Ferdinand Lassalle (1825-1869) nach 1848 letztlich staatstragend preußisch agierte, schwenkte Müller von Königswinter auf die vermeintlich unpolitische Rheinromantik um. Die Rheinromantik wurde zum identitätsstiftenden Moment in der rheinisch-preußischen Geschichte. Damit war die ro–mantische Dichtung des Müller von Königswinter ein eminent politisches Instrument, dessen Wirkungen aber in überschaubarem Rahmen blieben.

In den Jahren nach 1850 pflegte der Dichter Kontakt zur Familie Robert Schumanns. Bei der Taufe von Clara und Robert Schumanns vierter Tochter Eugenie am 31.1.1852 war er Taufpate und zeitweilig 1852 auch Arzt von Robert Schumann. 1853 erfolgte der Umzug von Düsseldorf nach Köln, wo er 1864 am Apostelnkloster 27 ein großzügiges Haus im neogotischen Stil erwarb. Müller von Königswinter war im Zentrum der rheinischen Künstlerschaft angekommen. 1854 veröffentlicht er „Düsseldorfer Künstler aus den letzten fünfundzwanzig Jahren“, heute ein wichtiges Quellenwerk für die Düsseldorfer Malerschule. Er hat sich vor allem mit diesem Buch Verdienste um die Düsseldorfer Akademie erworben. Am Beispiel des kritischen Textes zu Peter Schwingens Bildern wird aber auch deutlich, dass er in gewissem Maße nachtragend war. Er bescheinigte Schwingen zwar Begabung und Talent, doch die sozialen Sujets seiner Bilder lehnte er rundweg ab. Er hat Schwingen mit diesem Text für lange Zeit aus der Kunstgeschichte herausgeschrieben, weil bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts sein Werturteil unkritisch übernommen wurde. Was mag zwischen den beiden Rheinländern in Düsseldorf vorgefallen sein? Beide kamen ja aus der engeren Umgebung Bonns, was sie durchaus hätte verbinden können. Beide waren aktiv rund um den Malkasten. Beide waren zumindest zeitweilig bewegt von der sozialen Frage. Wahrscheinlich hat es einmal einen Dissens gegeben, den Müller von Königswinter nicht bereit war zu vergessen. Möglicherweise hing das mit den Unstimmigkeiten der Jahre nach 1848 im Malkasten zusammen. Denn noch 1847 bescheinigte Müller von Königswinter gerade der Düsseldorfer Genremalerei, die „eigentliche Kraft der Düsseldorfer Schule“ zu sein, „die Düsseldorfer Maler seien ‚die Maler des Volkes und seiner Leiden und Freuden’. Und genau dies war ja die Stärke der Malerei Schwingens. Dass Müller von Königswinter ihn, diesem vorrevolutionären Urteil zuwider, 1854 so sehr gedemütigt hat, scheint durch seinen persönlichen Sinneswandel begründet und zeigt, wie sehr der Dichter sich den Zeitumständen angepasst hatte. Vom Revolutionär zum Reaktionär.

1854 veröffentlichte er auch den „Prinz Minnewin. Ein Mittesommerabendmärchen“. Für Müller von Königswinter begann eine literarisch fruchtbare Zeit, die bekanntesten Werke, die in der Folgezeit entstehen, sind: „Gedichte“ (1857), „Johann von Werth“ (1858), „Das Haus der Brentano“ (1859), „Er–zählungen eines rheinischen Chronisten“, „Aus Jacobi’s Garten“ (1861), „Vier Burgen“ (1862). Danach widmet er sich vor allem dem Verfassen von Schauspielen, womit ihm aber wenig Erfolg beschieden war. Seine Märchen entnahm er häufig entfernteren Landschaften und schrieb sie um in die rheini–sche Landschaft, was nicht immer überzeugend gelang, und was auch schon die Zeitgenossen kritisch angemerkten.

1856, nach dem Tod Heines, veröffentlichte er anonym die „Höllenfahrt von Heinrich Heine“. Es ist nicht übertrieben, das Werk einen Sündenfall zu nennen, ein Abgesang, der übler und dümmlicher nicht hätte ausfallen können, eine Abrechnung mit Heine als Person und mit dem „Wintermärchen“ (1844), die er gleich diesem, von Caput I bis Caput XXIV strukturierte. Es war weder wirklich satirisch, noch humorvoll, noch klug, einfach nur eine vollkommen verunglückte Auseinandersetzung mit einem Toten – ein dunkles Kapitel im Werk des Dichters, das mit Recht in Vergessenheit geraten ist.

Im Jahr 1870 erwachte sein alter Kampfesgeist nochmals. Durch den Deutsch-Französischen Krieg angeregt, schrieb er: „Durch Kampf zum Sieg“ – eine Parole, die in den 1930er Jahren durch die Nationalsozialisten ungute Karriere machen sollte. Er half freiwillig beim Sanitätsdienst und wurde durch den Sieg und die Einigung des Reiches wieder politisiert. Er kandidierte bei den Reichstagswahlen am 3.3.1871, doch es gewann sein dem Ultramontanismus zuneigender Kontrahent. In der Folge fand sich Müller von Königswinter mit seinen Dichtungen aus der persönlichen „Sturm- und Drangzeit“ öffentlich geschmäht, was ihm Bitterkeit bescherte. Er erkrankte schwer und starb am 27.6.1873 während der Kur in Neuenahr (heute Stadt Bad-Neuenahr-Ahrweiler). Begraben wurde er mit seiner Frau Emilie auf dem Melatenfriedhof in Köln in der Familiengrabstätte der Familie Schnitzler.

Er blieb der Nachwelt in Erinnerung als der Dichter der Rheinromantik. In Königswinter widmete man ihm 1896 ein Denkmal in der Nähe der Rheinpromenade, das Otto Lessing (1846-1912), ein Sohn Carl Friedrich Lessings, des langjährigen Freundes, schuf. Die Originalausgaben der Dichtungen Wolfgang Müller von Königswinters gehören heute zu den begehrten Sammlerstücken der Bücherliebhaber, auch wenn die Dichtungen selbst nicht zum wertvollsten Bestand der rheinischen Poesie gehören und kaum noch gelesen werden.

 

Quelle Text: Heckes, Pia, Wolfgang Müller von Königswinter, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wolfgang-mueller-von-koenigswinter/DE-2086/lido/57c9516754ab31.17301722 (abgerufen am 29.06.2023)

 

Auf Google Maps ansehen

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner