Gerhard Jussenhoven (1911 – 2006)

Pianist, Komponist und Musikrechtevertreter

Gerhard Jussenhoven war ein Pianist, Komponist und Musikrechtevertreter aus Köln, der zu den po-pulärsten Vertretern der „leichten Muse“ im 20. Jahrhundert zählt. Sein kaum zu überschauendes künstlerisches Lebenswerk umfasst Mundartlieder, Schlager, Chansons, Revuen und Musicals.

Gerhard Gottfried Jussenhoven wurde am 30.1.1911 als zweites von drei Kindern des Süßwarenfabri-kanten Servatius Jussenhoven und dessen Ehefrau Maria Michelmann im Kölner Severinsviertel ge-boren. Der Vater war Mitbegründer und langjähriger Präsident des Karnevalskorps der Altstädter, die Mutter eine ausgebildete Sängerin.

Früh zeigten sich die besondere musische Begabung Gerhard Jussenhovens und sein Interesse für die klassische Musik. Die Eltern ließen ihn daher zunächst vom Kapellmeister des Reichshallen-Theaters Georg von Bratzki und ab dem Jahr 1920 vom renommierten Musikprofessor Franz Gillessen im Kla-vierspiel unterweisen. Im Alter von 14 Jahren begleitete der junge Pianist bereits die Auftritte rheini-scher Volks- und Stimmungssänger wie Gerhard Ebeler (1877-1956) oder Willi Ostermann. Auf diese Weise wurde er einem größeren Publikum bekannt.

Nachdem er im Jahr 1930 am Kaiser-Wilhelm-Gymnasium die Prüfungen zum Abitur bestanden hat-te, studierte Jussenhoven auf Weisung seines Vaters an der Universität Köln Rechtswissenschaften. Zeitgleich trat er dem katholischen Studentenverein Unitas Landshut bei. 1936 promovierte er mit einer Arbeit zum Thema „Die Grenzen der Reklame im wirtschaftlichen Wettbewerb“ bei Albert Co-enders (1883-1968). Im Anschluss erhielt er eine Anstellung als juristischer Mitarbeiter in der Schlich-tungsstelle der Industrie- und Handelskammer Köln.

Abseits dieser Tätigkeit machte Jussenhoven jedoch auch mit seinen ersten eigenen Kompositionen auf sich aufmerksam. Auf Vermittlung des populären Karnevalssängers Karl Berbuer (1900-1977) lernte er in der Mitte 1930er Jahre den Straßenbahnfahrer und Textdichter Jupp Schlösser (1902-1983) kennen, mit dem er über mehrere Jahrzehnte ein erfolgreiches Gespann bildete. 1937 gelang ihnen mit dem Stimmungslied „Die Hüsjer bunt om Aldermaat“ der künstlerische Durchbruch. In den folgenden Jahren schufen sie eine Vielzahl weiterer Titel mit denen sie sowohl die Genres des Kölner Mundartliedes, als auch des hochdeutschen Rhein- und Weinliedes bereicherten. Zu den bekanntes-ten Werken dieser Zeit gehören die Titel „Gib acht auf den Jahrgang“ (1938), „Kornblumenblau“ (1939) und die „Die hinger de Jadinge stonn un spinxe“ (1939). Dank der vom Reichssender Köln aus-gestrahlten Musiksendung „Der fröhliche Samstagnachmittag“ wurden die Werke Jussenhovens und Schlössers auch weit über die Grenzen des Rheinlandes hinaus bekannt.

Am 19.8.1939 heiratete Gerhard Jussenhoven die Medizinstudentin Inge Sophie Montag (1913-1991). Die aus ihrer Ehe hervorgegangene Tochter Krista Jussenhoven erlangte als Dramaturgin und Verlagsleiterin Bekanntheit. 1941 wurde Jussenhoven zum Kriegsdienst eingezogen und war als An-gehöriger der Nachrichtentruppe der Luftwaffe zunächst am Atlantik stationiert. Kurz nach der Inva-sion der Alliierten am 6.6.1944 wurde er zum Panzerfunker umgeschult. Bei den Kämpfen um Bratislava entzog er sich im April 1945 nur knapp einer Gefangennahme durch die Rote Armee, gelangte auf seiner Flucht bis nach Nürnberg und wurde hier von amerikanischen Soldaten aufgegriffen.

Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft kehrte Gerhard Jussenhoven im Sommer 1945 in sei-ne zerstörte Heimatstadt zurück. Es folgten die arbeitsintensivsten Jahre seines Lebens, in denen er sich zunächst ausschließlich auf die Fortsetzung seiner musikalischen Laufbahn konzentrierte. Die kriegsbedingt unterbrochene Zusammenarbeit mit Jupp Schlösser konnte wiederaufgenommen wer-den, wobei das Duo nahtlos an seine alten Erfolge anknüpfte. Zu den bis zum Jahr 1964 entstande-nen gemeinsamen Werken zählten zahlreiche zeitlose Stimmungslieder wie „Sag‘ ens Blootwoosch“ (1948) oder „Dat Glockespill vom Rothuusturm“ (1954). In ihnen verarbeiteten Jussenhoven und Schlösser auf humoristische Weise die verschiedenen Herausforderungen der Nachkriegszeit wie den Wiederaufbau ihrer Heimatstadt oder die gesellschaftliche Integration von Flüchtlingen und Vertrie-benen.

Insgesamt komponierte Gerhard Jussenhoven bis zum Jahr 1955 230 Melodien. Zu diesen zählte auch die Musik für die ganz auf ihre Hauptdarstellerin Grete Fluss zugeschnittenen Karnevalsrevuen „Aat bliev Aat“ (1946), „Su oder Su“ (1947) und „Rund öm de Freud“ (1948). Darüber hinaus begleitete er die Chansonnière Mimi Thoma (1909-1968) auf ihren Tourneen als Pianist. In den 1950er und 1960er Jahren etablierte sich Jussenhoven als einer der führenden deutschsprachigen Schlagerkomponisten, wobei ein im Jahr 1955 erlittener Herzinfarkt seine Schaffenskraft nur kurzzeitig hemmte. Zahlreiche seiner für Stars wie Margot Eskens (geboren 1939), Peter Alexander (1926-2011), Willi Hagara (gebo-ren 1927) oder Margit Schramm (1935-1996) geschriebenen Lieder wurden zu Evergreens.

Als überaus erfolgreich gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem ebenfalls aus Köln stammenden Sänger Willy Schneider, der die romantisch gefärbten Rheinlieder Jussenhovens bereits seit den 1930er Jahren in unverkennbarer Weise zu interpretieren verstand. Mit dem Titel „Man müßte noch-mal zwanzig sein“, dessen Text der Feder des renommierten Schlagerproduzenten Kurt Feltz (1910-1982) entstammte, gelang ihnen im Jahr 1952 ihr größter Erfolg. Im Jahr 1961 unternahmen Jussen-hoven und Schneider eine vielbeachtete Tournee durch die Vereinigten Staaten von Amerika.

In den 1960er Jahren wandte sich Jussenhoven mit nicht minder großem Erfolg dem Genre der musi-kalischen Komödie zu. Der Zusammenarbeit mit dem ihm befreundeten Schriftsteller Ernst Nebhut (1890-1974) entsprang das am 20.1.1963 uraufgeführte und von der Kritik gefeierte Stück „Eau de Cologne“. Es folgten die Werke „Sturm auf die Konstablerwache“ (1965) und „Cyprienne“ (1966). In Anlehnung an das Werk „Der eingebildete Kranke“ aus der Feder des französischen Dramatikers Mo-lière (1622-1673) entstand die 1972 uraufgeführte Komödie „Monsieur Malade“. Im Jahr 1979 folgte das Stück „Die deutschen Kleinstädter“ nach einer literarischen Vorlage des Dichters August von Kot-zebue (1761-1819). Die ebenfalls in den 1970er Jahren entstandene Parodie „Gut Holz, Wilhelm!“ fei-erte ihre Premiere im Jahr 1989.

Neben seiner musikalisch-schöpferischen Tätigkeit zählte der promovierte Jurist Jussenhoven zu den führenden Interessenvertretern für die Rechte von Musikern und Komponisten. Seit 1949 fungierte er in Diensten der GEMA als Ausschussvorsitzender und Sachverständiger und übernahm 1952 den Vorsitz im Deutschen Komponistenverband für Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus gehörte er dem Vorstand der Dramatiker-Union und dem Programmbeirat des WDR an. Gemeinsam mit dem Verle-ger Hans Gerig (1910-1978) gründete er 1955 einen eigenen bis heute bestehenden Musikverlag un-ter dem Namen „Edition Capella“.

Am Ende der 1960er Jahre wurde die deutschsprachige Unterhaltungsmusik klassischer Prägung zu-nehmend durch neue musikalische Stilrichtungen in den Hintergrund gedrängt. Von dieser Entwick-lung sah sich auch Gerhard Jussenhoven betroffen, jedoch hemmte sie ihn nicht in seiner Schaffens-kraft. Neben seinen musikalischen Komödien komponierte er weiterhin eingängige Mundart- und Karnevalslieder. Gemeinsam mit dem Volkssänger Ludwig Sebus (geboren 1925) begründete er in den 1980er Jahren das Genre des „kölschen“ Weihnachtsliedes. Zu seinen erfolgreichen Spätwerken zählt darüber hinaus das am 15.11.1994 uraufgeführte Kindermusical „Befana und der Weihnachts-engel – ein Abenteuer aus dem Schuhkarton“.

1984 wurde Jussenhoven das Bundesverdienstkreuz und 1995 der Verdienstorden des Landes Nord-rhein-Westfalen verliehen. Im Jahr 2002 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausge-zeichnet. Zu den weiteren Ehrungen zählen die Goldene Nadel der Dramatiker-Union (1981), die Gol-dene Ostermann-Medaille (1983) und der Goldene Rheinlandtaler des LVR (1993). Von der generatio-nenübergreifenden Wertschätzung seiner Persönlichkeit und seines Schaffens zeugten nicht zuletzt die Konzerte, die anlässlich seiner runden Geburtstage veranstaltet wurden und ab 1991 in der Köl-ner Philharmonie stattfanden.

Nachdem er im November 2004 infolge eines Sturzes zu einem Pflegefall geworden war, starb Ger-hard Jussenhoven am 14.7.2006 in Köln. Er wurde am 22.7.2006 an der Seite seiner Ehefrau auf dem Friedhof Melaten beigesetzt.

 

Quelle Text: Thomann, Björn, Gerhard Jussenhoven, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gerhard-jussenhoven/DE-2086/lido/5cd3fc5bdbfa39.44921656 (abgerufen am 22.06.2022)

 

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