Bierbrauer und Brauereibesitzer
Die Ursprünge der Brauerei Winter
Friedrich Winter kam um 1874 nach Köln. 1875 erwarb er von Hubert Esser das bereits seit längerer Zeit bestehende Ursulabräu in der Ursulastraße 5 und produzierte dort in den nächsten 2 Jahren mit 3 Arbeitern ca. 2.500 hl Bier im Jahr. In anderen Darstelllungen wird geschrieben, dass er mittellos nach Köln kam und das Ursulabräu pachtete. Dem war aber vermutlich nicht so, weil er von 1876 bis 1877 als Eigentümer des Ursulabräu geführt wurde.
Die Geschäfte müssen so gut gelaufen sein, so dass er bereits im Jahr 1877 das Ursulabräu an die Brüder Bardenheuer (die späteren Besitzer der Kalker-Aktienbrauerei) verkaufte und von der Witwe E. Lohkampff ein Gebäude in der Schildergasse 37 erwerben konnte. In diesem Gebäude errichtete Friedrich Winter eine neue Brauerei. Diese Brauerei wird oft als das Stammhaus des Brauhaus Winter bezeichnet, Friedrich Winter nahm aber immer Bezug auf das Jahr 1875, also seine erste Brauerei in der Ursulastraße 5. Zeitgleich erwarb er einen großen Lagerkeller in Köln-Lindenthal, Johannisstraße 5 (1892 umbenannt in Classen-Kappelmann-Straße 26-28).
Im Jahr 1887 begann er dort mit dem Bau einer neuen Brauerei, die im Jahr 1891 ihren Betrieb aufnahm und sich in den nächsten Jahrzehnten zu einer der größten Kölner Brauereien entwickelte. Die ehemalige Brauerei in der Schildergasse wurde als Brauereiausschank weiterbetrieben. Im Jahr 1910 werden schon 84 Arbeiter beschäftigt, der jährliche Ausstoß beträgt 75.000 hl. Überwiegend wurden untergärige Pils-, Lager- und Exportbiere produziert (z.B. Winter Pilsener und Winter Münchener), Kölsch wurde zwar auch produziert, spielte aber nur eine sehr untergeordnete Rolle. Der Erfolg schlug sich auch finanziell wieder. Bereits im Jahr 1894 wurde er als einer von nur 2 Kölner Brauern im “Deutschen Millionär Adressbuch” aufgeführt. Der andere Brauer war Heinrich Boden, welche die Brauerei zu den 4 Heymonskindern führte. Im Jahr 1913 war Friedrich Winter mit einem geschätzten Vermögen von 8 bis 9 Millionen Mark und einem jährlichen Einkommen von 520.000 Mark einer der reichsten Kölner überhaupt . Er war auch der größte Grundbesitzer Kölns, er besaß allein 67 Häuser in Köln.
Nach dem Tod von Friedrich Winter im Jahr 1914 übernahm sein ältester Sohn, Paul Joseph Winter, die Brauerei.
Im Jahr 1920 fand in der Brauerei ein aus heutiger Sicht kultureller Höhepunkt statt, der damals allerdings sehr umstritten war. Im Hinterhof der Brauerei fand das dadaistische Highlight Kölns statt. Die zuvor aus dem Kunstgewerbemuseum ausgeschlossenen Max Ernst und J. Th. Baargeld präsentieren ihre Objekte unter dem Motto „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ (später anders weitergeführt von der Band „Ton, Steine, Scherben“). Man stellte Skulpturen aus und legte einen Hammer daneben: Wenn euch das nicht gefällt, zerschlagt sie – wir liefern morgen neu! Es gab einen entsprechenden Skandal und die nur über die Herrentoilette zu erreichende Ausstellung wurde vorübergehend polizeilich geschlossen.
Lambert Macherey, einer der führenden Chronisten des Brauwesens Kölns, stellt die Brauerei Winter im Jahr 1921 wie folgt dar:
Das Brauhaus Friedrich Winter in Köln-Lindenthal (Jetziger Inhaber: Paul Jos. Winter) hat sich im Laufe weniger Jahrzehnte aus einer Kölner Heimbrauerei zu einer der leistungsfähigsten Großbrauereien Westdeutschlands entwickelt. Der Gründer Friedrich Winter übernahm zunächst 1874 das Ursulsbräu (Jetzt “Birrebäumche”) und kaufte 1877 das Stammhaus Winter an der Schildergasse. Im gleichen Jahre erwarb er in Köln-Lindenthal große Lagerkeller in der Classen-Kappelmann-Straße, wo er dann 1887 eine jetzt mit allen neuzeitlichen Einrichtungen versehene Großbrauerei erbaute, die wiederholt Vergrößerungen und Erweiterungen erfuhr. Der Ruf ihrer Biere sicherte ihr einen überaus starken Absatz. Nach dem Tode des Gründers 1913 übernahm der älteste Sohn Paul Joseph Winter den Brauereibetrieb, der unter seiner Tatkräftigen Leitung einen weiteren Aufschwung erlebte.
Im August 1925, anlässlich des 50zig-jährigen Bestehens der Brauerei, gab es in der Brauerei Winter folgende Bekanntmachung:
An die Belegschaft des Brauhauses Friedrich Winter, Köln.
Das Brauhaus Friedrich Winter blickte am 1. Januar 1925 auf sein fünfzigjähriges Bestehen zurück. Leider muss ich es mir versagen, in Zeiten, die mit ihrer schweren Erfüllungspolitik und angespanntestem wirtschaftlichen Kampfe auf jeder deutschen Industrie lasten, zu frohem Jubelfeste zu laden, zumal dies auch dem Sinne des verstorbenen Gründers, der in schlichter Einfachheit sein Werk aufbaute, widerspräche. Zu seinem Andenken und im Einvernehmen mit seiner Gattin, die das seltene Fest des goldenen Geschäftsjubiläums noch erleben darf, habe ich jedoch eine Stiftung unter dem Namen “Friedrich- und Katharina- Winter-Stiftung” errichtet. – Dieselbe soll denjenigen Angestellten und Arbeitern zugutekommen, welche in ununterbrochener fünfundzwanzigjähriger Tätigkeit ihre Arbeitskraft dem Brauhaus Friedrich Winter gewidmet, nicht gegen die Interessen des Werkes verstoßen haben, infolge Alters oder Krankheit nicht mehr erwerbsfähig sind und kein Vermögen besitzen, dessen Einkünfte höher sind als die durch die Genussberechtigung der Stiftung vorgesehenen. Ebenso soll für den Fall des Ablebens eines Genussberechtigten dessen Witwe, falls der Altersunterschied der Eheleute nicht über 15 Jahre beträgt, in die Hälfte der Genussberechtigung ihres verstorbenen Mannes eintreten. Die Stiftung erlangt Kraft nach ministerieller Genehmigung. Alsdann werden die Satzungen jedem Betriebsangehörigen ausgehändigt werden.
Köln-Lindenthal, im August 1925, gez. PAUL J. WINTER
Der nachfolgende Artikel unbekannter Herkunft, vermutlich ebenfalls zum 50zig-jährigen Bestehens der Brauerei erstellt, singt folgendes Loblied über die Brauerei:
Seine fortschreitende Entwicklung in den fünfzig Jahren des Bestehens läuft parallel mit dem allgemeinen Aufstieg der Stadt Köln. Aus kleinen Anfängen entstanden, umfassen die Winterschen Brauereianlagen, die in technischer Beziehung auf das modernste ausgestattet, auf der Höhe der Zeit stehen, heute eine an der Classen – Kappelmann- und Bachemer Straße gelegene Grundfläche von 20 000 qm. Lange Zeit war der Ruf der von den Kölner Brauereien produzierten Biere nicht der beste; dem einheimischen, viel gebrauten obergärigen Bier konnten viele, namentlich Fremde, durchaus keinen Geschmack abgewinnen. Dass hierin Wandel geschaffen wurde, ist nicht zum letzten das Verdienst des Brauhauses Friedrich Winter, das sich seit Jahrzehnten die Herstellung hochwertiger untergäriger Exportbiere angelegen sein lässt. “Winter-Pilsener” und “Winter-Münchener” haben nicht nur den Namen jener berühmten Biersorten übernommen; beide erreichen vollauf anerkanntermaßen die Güte der Pilsener und Münchener Vorbilder vollkommen und sie erwerben sich zusammen mit dem “Winter-Export” immer mehr Freunde, wie der stetig steigende Ausstoß zeigt. Längst sind die Winterschen Biere in ihrem Absatz nicht mehr an die Vaterstadt und deren nächster Umgebung beschränkt, von Jahr zu Jahr erweitert sich das Absatzgebiet, und wenn Köln sich heute zu einem Produktionszentrum der Brauindustrie von einem Rufe wie etwa Dortmund zu entwickeln beginnt, so ist das nicht zuletzt der Güte der Winterschen Biere zuzuschreiben. Es zeugt für die Festigkeit der wirtschaftlichen Grundlage und für die Beweglichkeit der Leitung auch in den letzten, gerade für die Brauindustrie so schweren Jahren, dass das Brauhaus Friedrich Winter sich ungeschmälert seine volle Selbstständigkeit in einer Zeit bewahren konnte, in der die großen Braukonzerne im Streben nach “horizontaler Ausdehnung” eine Privatbrauerei nach der anderen an sich zogen und in sich aufnahmen. Heute ist das Brauhaus Friedrich Winter die größte der noch im privaten Alleinbesitz befindlichen Brauereien des Rheinlandes.
Zwei Aspekte des Artikels sind besonders interessant. Im ersten geht es um die Qualität des obergärigen Kölner Bieres, also dem Kölsch: „… Lange Zeit war der Ruf der von den Kölner Brauereien produzierten Biere nicht der beste; dem einheimischen, viel gebrauten obergärigen Bier konnten viele, namentlich Fremde, durchaus keinen Geschmack abgewinnen …“. Das damalige Kölsch, welches mit dem heutigen nur noch den Namen gemein hat, hatte also keinen guten Ruf. Das nicht nur bei Auswärtigen, auch bei den Kölnern selber. Der Anteil des Kölsch an in Köln konsumierten Bier sank kontinuierlich bis auf den Tiefststand von ca. 5% kurz vor dem zweiten Weltkrieg.
Der zweite Aspekt beleuchtet eine Politik der Marktkonzentration durch Übernahme und Schließung von Konkurrenten: „… seine volle Selbstständigkeit in einer Zeit bewahren konnte, in der die großen Braukonzerne im Streben nach “horizontaler Ausdehnung” eine Privatbrauerei nach der anderen an sich zogen und in sich aufnahmen …“. Der Mechanismus, dem die meisten Kölner Brauereien in den 1980er bis 2000er Jahren zum Opfer gefallen sind, ist also nicht neu.
Der folgende Artikel aus dem Jahr 1929 singt ein weiteres Loblied auf die Brauerei:
Das Brauhaus Friedrich Winter in Köln-Lindenthal, Classen-Kappelmann-Straße 26-28, ist gegründet worden von Friedrich Winter, der zunächst 1874 das Ursulabräu (jetzt Birbäumche) übernahm und 1877 das Stammhaus Winter in der Schildergasse kaufte. Im selben Jahre erwarb er in Köln-Lindenthal große Lagerkeller in der Classen-Kappelmann-Straße, wo er dann 1887 eine jetzt mit neuzeitlichen Einrichtungen versehene Großbrauerei erbaute, die wiederholt Vergrößerungen und Erneuerungen erfuhr. Nach dem Tode des Gründers 1913 übernahm der älteste Sohn Paul Joseph Winter den Braueibetrieb, der unter seiner Leitung einen weiteren Aufschwung nahm. Ein Musterbetrieb ersten Ranges.
Quelle Text mit freundlicher Genehmigung von Michael Berger in koelsch-net.de
Wer mehr über Kölsch erfahren möchte, sollte sich die Seite mal anschauen.
http://towago.com/koelsch-net/anz/B_Winter.htm
Abgerufen am 29.03.2023