Franz Proenen (1877 – 1968)

Unternehmer in der Textilindustrie

Als bedeutendster Vertreter der vierten Generation in der Leitung der 1788 gegründeten Firma “Bierbaum-Proenen” wagte Franz Proenen den Sprung vom Textilhandel zur Massenproduktion von Markenware. Unterstützt von seinem Bruder Adolf (1884-1964) nahm er 1929/1930 die Fließfertigung nach US-Vorbild auf und brachte das Familienunternehmen an die Spitze der Kölner Bekleidungswerke (1937: circa 1.500 Mitarbeiter).

Franz Proenen kam am 2.6.1877 als Sohn des Textilunternehmers Chrysanth Joseph Proenen (1849-1929) und dessen Ehefrau Margaretha, geborene Biesenbach (1856-1909), in der Kölner Mühlengasse zur Welt. Sein Großvater mütterlicherseits war der Düsseldorfer Bauunternehmer Jacob Biesenbach (1828-1906), der Erbauer der Hirschburg im Siebengebirge. Franz Proenen verband mit den Aufenthalten dort seine schönsten Jugenderinnerungen. Nach drei Jahren auf dem Kölner Marzellen-Gymnasium wechselte er wegen schlechter Leistungen für die folgenden drei Schuljahre nach Recklinghausen, wo er im Haushalt eines Lehrers wohnte. Mit dem “Einjährigen” (Obersekundareife) besuchte der Fünfzehnjährige ein Jahr die Kölner Handelsschule. Der kaufmännischen Lehre in einer Bocholter Weberei folgten mehrere Jahre im englischen Manchester; die Reise-Verkaufstätigkeit als Repräsentant eines dortigen Exporthauses führte den wissenshungrigen Jungkaufmann bis nach Polen, Russland und Skandinavien. Eine ihm angebotene Tätigkeit in Schanghai musste er ablehnen, um zum 1.10.1900 seiner Militärdienstpflicht genügen zu können.

Ein Jahr später trat der Vierundzwanzigjährige in die väterliche Firma ein und heiratete 1904 Margareth Rasquin (1882-1950), Tochter des Kölner Farbenproduzenten Franz Rasquin (1853-1928). Das Paar hatte zwei Kinder. Bierbaum-Proenen war damals ein konservativ geführtes Unternehmen mit einem Jahresumsatz von circa 1 Million Mark. Franz Proenen überzeugte seinen Vater, die bereits bestehende Fertigung von Arbeitskleidung auszuweiten, das unrentable Detailgeschäft aufzugeben und in der Domstraße einen Neubau zu errichten, der 1905 bezogen wurde. Bereits 1913/1914 konnte nach Kauf eines Nachbargrundstücks das Fabrikgebäude auf 11.000 Quadratmeter vergrößert werden. 1914 bewahrte Franz Proenen die Unabkömmlichkeit im Werk vor dem Kriegsdienst. Die bereits Jahre zuvor für den Mobilisierungsfall abgeschlossenen Lieferverträge mit den Militärbehörden wurden wirksam, zunächst Sandsäcke zur Verstärkung der Kölner Befestigungen und Drillichzeug für Kasernen, dann Uniformteile für die Bekleidungsämter und Dienstkleidung der Schaffnerinnen bei der preußisch-hessischen Staatseisenbahn. Ende 1918 waren die Rohwarenlager leer, die Maschinen verschlissen. Die Belegschaft war auf ein Zehntel des Standes von 1913 zusammengeschmolzen. Erst Mitte der 1920er Jahre liefen Vorbereitungen an, die 1913/1914 auf einer Reise durch die USA erworbenen Anregungen (Standardisierung, Massenfertigung weniger Artikel in konsequenter Arbeitsteilung) in Köln umzusetzen. Ende 1928 konnte man bei der Firma Bata (Tschechoslowakei) die industrielle Herstellung von Schuhen studieren. Nach vorsichtigen Versuchen begann in der zweiten Jahreshälfte 1929 die Umrüstung des Hauptbetriebs Domstraße auf Montagebänder. Technischer Leiter wurde der Rationalisierungsfachmann Dr. Hanns Baurmann (1898-1956). Er heiratete 1930 die jüngere der beiden Proenen-Töchter.

Während die fortlaufende Verbesserung der Verfahren die Lohnstückkosten unter die ursprünglich kalkulierten Werte drückte, garantierten die Spezialisierung der Arbeitsschritte und die Verbesserung

der Maschinen eine gleichmäßig hohe Qualität. Selbst in der Weltwirtschaftskrise, als die Deflation Löhne und Rohstoffpreise erheblich drückte, brauchten Bierbaum-Proenen bei den Preisen nur mini-male Zugeständnisse zu machen – mit erfreulichen Folgen für die Gewinne. Innerhalb von zehn Jahren hatte das Unternehmen den Schwerpunkt seiner Geschäftstätigkeit grundlegend verändert. 90 Prozent des Umsatzes wurden 1934 in der Fabrikation erzielt, nur noch ein Zehntel trug der Großhandel bei. Die Etablierung der Marke BP, ihre dauerhafte Festigung und eine intelligente, in Teilbereichen überraschend originelle Absatzförderung garantierten die für einen rationellen Betrieb erforderlichen Stückzahlen.

Dem Seniorchef erlaubte diese Entwicklung, einen gehörigen Teil seiner Zeit dem Verbandsleben zu widmen. Im Herbst 1930 wählte ihn der Verband Kölner Großfirmen an die Spitze, ein Jahr später wurde er zum Vizepräsidenten der einflussreichen IHK Köln berufen. Im “Kölner Steuerkampf” bündelte der ausgewiesene Fachmann engagiert den Widerstand der Wirtschaft gegen die als unsolide kritisierte Ausgaben- und Abgabenpolitik des Oberbürgermeisters Konrad Adenauer. Als Folge seiner Doppelfunktion an der Spitze der großen Kölner Wirtschaftsverbände war Franz Proenen in führender Position von der “Gleichschaltung” der Institutionen im Frühjahr 1933 betroffen, doch auch der Eintritt in die NSDAP (1.4.1933) konnte die hoffnungsvoll begonnene Karriere als Verbandsfunktionär nicht retten. Sein Festhalten an dem langjährigen jüdischen Patentanwalt der Firma brachte ihm ein Parteiausschlussverfahren ein und kostete ihn das Amt als Handelsrichter. Diese Prinzipientreue, dazu die Weigerung, sich durch “Arisierung” jüdischer Unternehmen zu bereichern, die vergleichsweise geringe Anpassung des “Betriebsführers” gegenüber Partei und Arbeitsfront und nicht zuletzt der offen praktizierte Katholizismus führten 1947 zu seiner Entlastung (Kategorie V) im Entnazifizierungs-verfahren und zur Aufhebung des 1945 von der Militärregierung ausgesprochenen Berufsverbots.

Den erarbeiteten Reichtum, wie er vor dem Krieg in Wohnluxus, teuren Automobilen und Auslandsreisen durchaus zur Schau gestellt wurde, hatte der Bombenkrieg vernichtet. Die Pioniergewinne waren 1934/1935 in eine großzügige Werkserweiterung geflossen, doch die Anlagen in der Domstraße wurden 1944/1945 ebenso zerstört wie die Wohnhäuser, in denen Franz Proenen einen Großteil seines persönlichen Vermögens anlegte. Für den Wiederaufbau standen 1948 nur die im Verhältnis 100:6,5 abgewerteten Reichsmarkguthaben zur Verfügung, dazu Bankkredite, die der 71-jährige Seniorchef auf den guten Namen Proenen einwarb. Die stürmische Nachfrage nach Berufskleidung der Marke BP ermöglichte, die neuen Gebäude und Anlagen zum Teil aus einbehaltenen Gewinnen zu finanzieren. Bereits 1952 übertraf der Umsatz den Wert des Boomjahres 1938 beträchtlich. Mit wachsendem Abstand zum “Dritten Reich” wurde das unternehmerische Lebenswerk Franz Proenens stärker gewürdigt. 1957 verlieh ihm die IHK Köln die Ehrenmitgliedschaft. Zum 80. Geburtstag erhielt der Firmenpatriarch das Bundesverdienstkreuz, zum 90. verlieh ihm die Kölner Universität den Titel eines Ehrensenators. Er starb am 27.8.1968 und wurde in der Familiengruft auf dem Kölner Melaten-Friedhof beigesetzt.

 

Quelle Text: Vogt, Helmut, Franz Proenen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-proenen/DE-2086/lido/57c95ba69e9943.86829032 (abgerufen am 11.12.2021

 

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