Marlene Schwering (1931 – 2013)

Rechtsassessorin

Am 16. September 1931 wird Maria Helene Schwering in Köln geboren. Ihre Familie nennt sie Marlene, später steht dieser Name auch in ihrem Reisepass und in offiziellen Dokumenten.

Sie ist das zweite von vier Kindern der Eheleute Ernst Schwering und Maria Sibylla Schwering (geb. Elshorst). Ihr Bruder Karl Ernst wird 1929 geboren, ihr jüngerer Bruder Hermann 1932, die Schwester Ursula 1935. 1937 wird Marlene eingeschult, im Sommer 1941 kommt sie in die Sexta der Königin-Luise-Schule, einem städtischen Mädchengymnasium. Nach einer kriegsbedingten Unterbrechung des Unterrichts von mehr als einem Jahr nimmt das Gymnasium im November 1945 den Unterricht wieder auf. Im Februar 1951 absolviert Marlene Schwering die Abiturprüfung.

Ihren Großvater, den bekannten Mathematiker Prof. Dr. Karl Schwering (1846 – 1925), nach dem der Karl-Schwering-Platz in Köln-Lindenthal benannt ist, lernt Marlene nicht mehr kennen.

Ihr Vater, der Jurist Dr. Ernst Ferdinand Schwering, ist zunächst Beigeordneter der Stadt Köln. Als Marlene zwei Jahre alt ist, wird er von den Nationalsozialisten des Amtes enthoben und ist fortan bis 1945 als Rechtsanwalt am Amts- und Landgericht Köln tätig. Nach Kriegsende nimmt Dr. Ernst Schwering sein politisches Engagement wieder auf und tritt in die CDU ein. Zunächst ist er Beigeordneter der Stadt Köln, ab 1946 Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender der CDU, von 1949 bis 1958 Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister der Stadt Köln. Als Mitglied im nordrhein-westfälischen Landtag ist Ernst Schwering von 1950 bis zu seinem Tod im Jahr 1962 in der Landespolitik aktiv.

Das politische Engagement ihres Vaters prägt Marlenes Kindheit. Als Gegner des Naziregimes führt der Vater mit seinen Kindern den politischen Diskurs und lehrt sie, gegen den Strom zu schwimmen. Auch die politische Verfolgung erlebt Marlene Schwering in ihrer Familie. Sie hilft ihrem Vater, einen Fluchtweg aus dem Haus zu ersinnen und zu bauen, um ihn bei einem möglichen Erscheinen der Gestapo zu retten.

Politisch verfolgt ist auch ihr Onkel Leo Schwering (1883-1971), von dem Marlene später erzählt, dass er der aus dem provisorischen Konzentrationslager in der Messe in Köln-Deutz flieht und sich mit seiner Familie bis zum Kriegsende in einer Höhle im Siebengebirge versteckt. Noch im hohen Alter erinnert sich Marlene Schwering an den Stolz, dem Vater zur Seite zu stehen, aber auch an die fast spielerische Freude, etwas tun zu können und einen Beitrag zu leisten.

 

Kriegstagebücher als stumme Zeitzeugen

In ihren Kriegstagebüchern äußert sie sich immer wieder kritisch über Krieg und Gewalt. Manche Äußerungen zensiert sie anschließend selbst, streicht ganze Passagen oder schneidet sie aus. Auch dies ist möglicherweise eine Auswirkung der drohenden Verfolgung durch die Gestapo.

Die Familie Schwering überlebt die zahlreichen Bombenangriffe auf Köln. Marlene erinnert sich später besonders an die Nacht vom 30. Oktober 1944, in der sie als 13-jährige mit ihrem Leben abschließt. Im Luftschutzkeller des Marienhospitals in Köln, der Boden stampft wie ein Schiff auf schwerer See, die Luft ist zu staubig zum Atmen, übersteht die Familie den Fliegerangriff. Nach dieser existenziellen Erfahrung kommt ihr das Leben vor wie ein Geschenk. Die Erinnerung daran und das Gebet in der Nacht mit den Ordensschwestern sollten sie für ihr Leben prägen.

Nach dem Abitur im Jahr 1951 beginnt Marlene Schwering das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. Nach einem Semester bricht sie im Juli 1951 zu einem Studienaufenthalt in die Vereinigten Staaten auf.

 

Die USA

Am Linfield College in McMinnville, Oregon, studiert sie zwei Semester „Political Science“. „Ich möchte nicht mehr nach Europa zurück. Dieses Land ist reicher an Möglichkeiten. Und wirklich, die ersten Wochen hier sind nur zum Staunen da“, schreibt sie in ihr Tagebuch. Im Frühjahr 1952 wird Marlene klar, wie selbständig sie geworden ist und dass sie sich von ihrer Familie unabhängig machen will. Sie arbeitet mangels besserer Jobangebote auf den Erdbeerfeldern, um sich eigenes Geld für eine Rundreise durch die USA zu verdienen. Gerne hätte Marlene einen Führerschein gemacht, dazu reichte ihr Geld am Ende jedoch nicht. So bleibt es bei privaten Fahrversuchen mit anderen Studenten.

Es fällt ihr im Juli 1952 nicht leicht, Abschied zu nehmen, Freunde zurück zu lassen. Marlene gefällt der „American way of life“, die Stabilität der Verhältnisse und dass es viel leichter ist als in Deutschland Arbeit zu finden und unabhängig zu sein. In ihrem letzten Brief an die Eltern, den sie auf der Rückreise an Bord der „United States“ schreibt, hebt sie hervor, was sie in dem Jahr gelernt hat: Sie hat 26 der Vereinigten Staaten bereist, viel über die Amerikaner, deren Politik und Alltag erfahren. Und sie hat gelernt Geld zu verdienen, Auto zu fahren, Schreibmaschine zu schreiben, Reden zu halten.

 

Zurück nach Deutschland

Marlene leidet nach ihrer Rückkehr aus den USA unter der Enge des Nachkriegsdeutschlands und beklagt die Öde, Leere und Ziellosigkeit des Milieus ihrer Familie. „Von Natur aus bin ich ein Zigeuner“, schreibt sie und beklagt, dass sie an einen Ort gebunden ist. Was sie möchte, ist etwas anderes: Reisen und schreiben. Beides wird zum wiederkehrenden Motiv in ihrem Leben – auch wenn sie als Juristin Karriere machen wird.

Im Wintersemester 1952 setzt Marlene Schwering das Jurastudium in Köln fort. Sie besucht Vorlesungen renommierter Professoren wie Nipperdey, Rehfeldt oder von Hippel. 1953 legt sie an der Höheren Fachschule für Dolmetscher und Übersetzer die Prüfung für Dolmetscher und Übersetzer in der englischen Sprache ab und darf sich Staatlich geprüfter Dolmetscher nennen. Im März 1956 besteht sie das Erste Juristische Staatsexamen und beginnt im Juni 1956 den Referendardienst. Das Zweite Juristische Staatsexamen legt sie am 11.07.1960 ab.

Marlene ist leidenschaftlich politikinteressiert und betrachtet die Juristerei immer auch vom politischen Standpunkt. Sie übernimmt gerne Verantwortung und damit verbundene Aufgaben. So darf sie während ihrer Assessor-Examensarbeit auf Vermittlung ihres Vaters in Vertretung ihrer verstorbenen Mutter ein Schiff der Bundeswehr auf den Namen „Köln“ taufen. Auf diese Patenschaft ist sie sehr stolz und trägt das von der Bundeswehr überreichte goldene Armband mit einem Anker viele Jahre.

Ihr Interesse gilt der Politik, auch eine Karriere im Auswärtigen Amt interessiert Marlene nach ihrem Examen sehr. Beides keine einfachen Felder für eine Frau zu Beginn der 60er Jahre. Es sollte also anders kommen.

 

Als erste Frau bei Bosch

Nach dem Zweiten juristischen Staatsexamen beginnt Marlene Schwering 1961 ihre berufliche Karriere in der Versicherungsbranche, zunächst als Sachbearbeiterin in der Generaldirektion eines Versicherers in Köln, anschließend als Gutachterin in einer Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft in Düsseldorf, ab 1974 hat sie Prokura.

1976 geht sie im Alter von 45 Jahren zur Robert Bosch GmbH nach Stuttgart. Bei Bosch ist sie als erste Frau im Unternehmen zunächst Direktorin der Zentralabteilung Versicherung, später Geschäftsführerin der Robert Bosch Versicherungsvermittlungs-GmbH und Repräsentantin des Unternehmens in verschiedenen Fachorganisationen.

Marlene Schwering ist zudem viele Jahre als Seminardozentin der Arbeitsgemeinschaft Weiterbildung Energie und Wasser e.V. auf dem Gebiet der Betriebs-, Produkt- und Haftpflichtversicherung sowie Betriebs- und Feuerversicherung tätig. Daneben veröffentlicht sie regelmäßig Fachbeiträge. Noch im Ruhestand engagiert sich Marlene Schwering in ihrem beruflichen Umfeld und ist als Unternehmensberaterin, Dozentin und Autorin tätig.

 

Sehnsucht nach der Ferne

Reisen und schreiben will Marlene als junge Frau, beides löst sie im Laufe ihres Lebens ein. Ihre Sehnsucht nach der Ferne führt sie in viele verschiedene Länder der Erde.

Ihre erste große Reise ist ihr Studienaufenthalt in den USA, neben dem Studium findet sie dort Freunde und bereist das Land. Im April 1953 begleitet sie ihren Vater Dr. Ernst Schwering, Oberbürgermeister von Köln, als Dolmetscherin auf einer Delegationsreise nach Liverpool. Während ihrer Referendarzeit, im Juli 1959, reist Marlene mit einer Reisegruppe mit dem Zug nach Moskau. Einen Reiserbericht dazu schreibt sie für den „Fährmann – Zeitschrift der Katholischen Jungmänner-Gemeinschaft“. Im Februar 1974 bricht sie zu einer mehrwöchigen Studienreise in die Volksrepublik China auf, die sie von Peking bis nach Hong Kong führt und über die sie anschließend einen Lichtbildervortrag hält.

Zahlreiche weitere Reisen, die nicht im Detail dokumentiert sind, führen sie in verschiedene Länder Europas wie Frankreich, Spanien, oder Dänemark und in Städte wie Brüssel, Budapest, Lüttich, Prag oder Wien. Auch über Europa hinaus reist Marlene um die Welt. Mit ihren Sprachkenntnissen und ihrer Neugierde findet sie international Freunde und Bekannte. Sie sammelt Prospekte und Postkarten, schreibt jedoch seit Ende der 50er Jahre kein Tagebuch mehr.

Ausgangspunkt ihrer Reisen ist ihre Heimatstadt Köln. Im Alter von 45 Jahren verlässt Marlene Schwering aus beruflichen Gründen das Rheinland und zieht nach Stuttgart, das bis zu ihrem Lebensende Ausgangspunkt für ihre Karriere und ihre Reisen bleibt.

 

Wurzeln in Köln

Auch nach ihrem Umzug nach Stuttgart bleibt Marlene ihrer Heimat eng verbunden. Bis ins hohe Alter reist sie jedes Jahr in der Adventszeit nach Köln, nicht nur um Familie und Freunde zu sehen, sondern auch um den Bewohnern des Städtischen Seniorenzentrums Dr. Ernst Schwering eine Weihnachtsfeier im besonderen Rahmen zu ermöglichen.

 

Am 24. Juli 2013 verstirbt Marlene Schwering im Alter von 81 Jahren in Stuttgart. Die Marcel Lefebvre Stiftung ist ihr Vermächtnis.

 

Diese Stiftung fördert Projekte der Priesterbruderschaft St. Pius X. zur Unterrichtung der Jugend im vorkonziliaren Geiste in eigenen Internatsschulen. In Deutschland sind dies ein Gymnasium, eine Realschule und drei Grundschulen. Die Marcel Lefebvre Stiftung vergibt Stipendien, engagiert und bezahlt geeignete Lehrkräfte und beschafft notwendige Räume und Ausstattung.

 

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. ist eine Priestervereinigung katholischer Traditionalisten, die Erzbischof Marcel Lefebvre 1970 gründete. Die Gemeinschaft lehnt einen Teil der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils ab und strebt eine Verbreitung und Wiederherstellung der „authentischen katholischen Lehre“ an.

 

Quelle Text: https://www.marlene-schwering.de/
Abgerufen am 07.01.2022

 

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