Hermann Götting (1939 – 2004)

Straßenbahnschaffner, Conférencier und Sammler von Alltagskultur

Hermann Götting (* 29. August 1939 in Haiger; † 20. September 2004 in Köln) war ein deutscher Straßenbahnschaffner, Conférencier und Sammler von Alltagskultur. Manche bezeichnen ihn, auch wegen eines auffälligen Erscheinungsbildes, als Stadtoriginal, er selbst distanzierte sich jedoch von dieser Zuschreibung.

Leben

1 Tonne Katzenstreu war das Geschenk des Künstlerduo UnterbezirksDada Cornel Wachter und Elmar Schmidt an Herman Götting  und seine 24 kleinen Miezen zu dessen “ersten” 50. Geburtstag. Köln 1989 Capitol-Kino. Götting feierte jedes folgende Jahr wieder “den 50.”, wie er sagte.

Götting wurde als Kind einer unverheirateten jungen Mutter in eine traditionsbewusste Haigerer Schuhmacherfamilie geboren. Zunächst von der Familie abgelehnt, sollten Mutter und Sohn nach dem Willen der Großeltern als „Ausrutscher“ in einem Heim für ledige Mütter untergebracht werden. Unmittelbar nach der Geburt holten sie die beiden aber in die Familie zurück. Hermann wurde von den Großeltern großgezogen und nahm seine Mutter als „eine Art Tante“ wahr. Der extravagante, ausgefallene Geschmack seiner Mutter, ihre Ausdrucksformen und Musikalität faszinierten und beeinflussten ihn dennoch nachhaltig.

Nach der Volksschule arbeitete Götting zunächst in einer Haigerer Tankstelle, dann in einem Eisenwerk. Schließlich erfüllte er sich seinen Kindheitstraum und fand eine Anstellung als Straßenbahnschaffner bei der Siegener Kreisbahn. In der Ausübung des Berufs ergänzte er seine Uniform zum Leidwesen seiner Vorgesetzten durch modische Accessoires und erlangte durch kleine „Auftritte“ während der Fahrt, bei denen er die Fahrgäste mit allerlei Anekdoten unterhielt, lokale Bekanntheit. Nach Einstellung des Straßenbahnbetriebes bei der Siegener Kreisbahn fuhr Götting noch einige Zeit als Schaffner in den Oberleitungsbussen der Gesellschaft mit, die allerdings im Vergleich zu den alten Straßenbahnwagen keine Faszination auf ihn ausübten. In dieser Zeit machte er erste homosexuelle Erfahrungen, die er zum Ende der 1950er Jahre nur heimlich ausleben konnte.

Im Jahr 1962 kehrte er von der in Koblenz verbrachten Wehrdienstzeit zunächst nach Siegen zurück, zog aber bald nach Köln, wo er eine differenzierte homosexuelle Szene kennenlernte. Götting genoss vor allem den Aufenthalt in Nachtlokalen mit gehobenem Anspruch an die Kleidung der Gäste und einer plüschigen Atmosphäre, die „geprägt durch empfindsamen, kulturell interessierten Schöngeist“ war. Seinen Lebensunterhalt bestritt er erneut als Straßenbahnschaffner bei den Kölner Verkehrs-Betrieben. 1968 führten die Kölner Verkehrsbetriebe den schaffnerlosen Betrieb in ihren Bahnen ein, so dass Götting diesem Beruf nicht mehr nachgehen konnte.

Fortan arbeitete Götting als Kellner, Barkeeper und später auch als Conférencier in Nachtclubs, Varietés und Travestieshows. Mit seinem Lebensgefährten bezog er eine Altbauwohnung in der Richard-Wagner-Straße, in der er Teile seiner Alltagskultur- und Möbelsammlung unterbrachte. Auch lud er dort Sonntags regelmäßig Schauspieler, Journalisten, Modeschöpfer, Tänzer, Musiker und andere Künstler zu Konversation und Darbietungen in seinen „Salon“ ein.

Götting war eine auffallende Erscheinung mit ausladenden Gewändern, riesigen Hüten, dem allgegenwärtigen Fächer und stets in Begleitung großer Hunde. 1992 feierte er seinen 50. Geburtstag in der Black Box des kurz zuvor eröffneten Cinedomes.

Am 20. September 2004 starb Hermann Götting in seiner Kölner Wohnung an den Folgen einer verschleppten Lungenentzündung. Sein Sarg wurde mit einer Pferdekutsche zum Melatenfriedhof gebracht, wo nach einer Trauerfeier mit rund 800 Gästen seine Bestattung vorgenommen wurde.

 

Quelle Text: Seite „Hermann Götting“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6. März 2023, 03:54 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hermann_G%C3%B6tting&oldid=231530920 (Abgerufen: 23. Juli 2023, 13:13 UTC)

 

Auf Google Maps ansehen

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner