Mäzenin und sie war jahrzehntelang im Vorstand des Vaterländischen Frauenvereins
Der neue Tag. Tageszeitung für Köln-Stadt und Land vom 28.12.1935
Der Geburtstag der Mäzenin Wika Schnitzler 70 Jahre
Frau Justizrat Dr. Victor Schnitzler feiert heute ihren 70. Geburtstag. Wika Schnitzler ist die Gattin des vor einigen Jahren verstorbenen Justizrats Victor Schnitzler, der sich um das Kölner Musikleben außerordentliche Verdienste erworben hat und jahrzehntelang Vorsitzender der Kölner Konzertgesellschaft war. Wika Schnitzler unterbreitete im vorigen Jahr die Erinnerungen ihres Gatten der musikliebenden Kölner Öffentlichkeit. Die „Erinnerungen aus meinem Leben” Viktor Schnitzlers nannten wir bereits gelegentlich einer Besprechung einmal eine Geschichte des Kölner musikalischen Gesellschaftslebens im Spiegel einer Persönlichkeit.
Auch auf sein schönes Familienleben kommt Victor Schnitzler in diesem Buch mehrfach zu sprechen. Und wir glauben dem Geburtstagskind keinen schöneren Dienst zu erweisen, als wenn wir einige Stellen aus dem Buch zitieren, in denen Viktor Schnitzler seiner Gattin ein literarisches Denkmal gesetzt hat.
Die letzte Reise, die ich als Student mit meinen Eltern machte, führte uns über Paris nach Menton. Dort lernte ich ein mir bis dahin unbekanntes Fräulein, Wika Andreae, kennen, dass mir gleich sehr gefiel und mit dem ich zum Entsetzen unserer Eltern auch gleich heftig flirtete. Am Ufer des unvergesslichen Comer Sees, unter dem Duft der herrlichen Frühlingsblumen, bei schönen Vollmondabenden in der Laube in unserem Hotel, im wunderschönen Monat Mai“, ist in meinem Herzen die Liebe aufgegangen.
Eigentlich wollte ich noch vor einer etwaigen Verlobung eine Reise um die Welt mit meinem Vetter machen. Mein Vater fand dies aber höchst überflüssig, so dass ich ihm erklärte: „Gut, dann heirate ich” So kam es denn, dass ich mich am 7. Januar 1888 mit Wika Andreae verlobte und dabei den alten Spruch wahr machte: „Man kehrt immer wieder zu seiner ersten Liebe zurück“. Auf den musikalischen Mittwochnachmittagen im Elternhause hat meine Frau sowohl als Braut wie in späteren Jahren oft gespielt und jedermann entzückt durch die Art, in der sie unter anderem auswendig das italienische Konzert von Bach spielte.
Ich habe das Glück gehabt, Liebe und Verständnis zur Musik von meinen Eltern mitzubekommen und diese auch wieder auf meine Kinder zu vererben. Ich habe aber vor allem das seltene Glück, in meiner treuen Lebensgefährtin dieselbe Liebe und dasselbe Verständnis für die Kunst und ihre Jünger zu finden, die mir von Jugend an eingepflanzt war. Und unser gemeinsames, erinnerungsreiches Leben wird unser Paradies bleiben, in dem wir, vereint mit Kindern und Enkeln glücklich sein werden.
Die Lebensarbeit Frau Schnitzlers liegt vor allem auf sozialem Gebiet. Jahrzehntelang war sie im Vorstand des Vaterländischen Frauenvereins aktiv tätig. Hier hat Wika mit ihrem Frauenverein z.B. „Dilettanten-Konzerte“ zum Besten der Kölner Armen, im Gürzenich organisiert. Sie selber spielte meist in den verschiedenen Aufführungen „La Lisonjera“ (Die Schmeichlerin), Op. 50 von Cécile Chaminade oder Stücke aus dem Italienischen Konzert von Joh. Sebastian Bach.
Zu Beginn des Krieges rief sie eine Nähstube ins Leben. Sie beschäftigte dort zeitweise bis zu 150 Arbeiterinnen, denen sie Arbeit und Lohn gab. Diese Nähstube hat noch viele Jahre nach dem Krieg bestanden. In den Jahren nach dem Kriege widmete sich Wika Schnitzler vor allem bedürftigen Studenten und Angehörigen des Mittelstandes.
Der Vaterländische Frauenverein (VFV) bzw. Vaterländische Frauenverein vom Roten Kreuz hieß in Langform Deutscher Frauenverein zur Pflege und Hilfe für Verwundete im Kriege und wurde am 11. November 1866 in der Gegenwart von Henry Dunant (1828–1910) gegründet. Der preußische Verein stand bei seiner Gründung unter der Schirmherrschaft von Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811–1890), der damaligen Königin von Preußen.
Der Vaterländische Frauenverein unterschied sich von seiner Schwesterorganisation, dem Centralkomitee des Preußischen Vereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger (1864–1890) bzw. dem Preußischen Landesverein vom Roten Kreuz (1890–1937), nicht nur dadurch, dass sich Frauen statt Männern engagierten, sondern auch hinsichtlich der Aufgaben. Während sich der Männerverein zunächst ausschließlich auf die Hilfe im Kriegsfall konzentrierte, schloss der Frauenverein auch gleich Aufgaben in Friedenszeiten ein, vor allem in der Gesundheitsfürsorge und der Wohlfahrtspflege.
Der Vaterländische Frauenverein gründete zusammen mit sechs anderen deutschen Frauenvereinen vom Roten Kreuz am 12. August 1871 in Würzburg den Verband der Deutschen Frauenvereine vom Roten Kreuz.
Am 9. Dezember 1937 wurde der Vaterländische Frauenverein (1866–1937) im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltung zusammen mit allen anderen Gliederungen des damaligen Deutschen Roten Kreuzes per Gesetz aufgelöst und in die bis 1945 bzw. 1946 bestehende De-Facto-Behörde Deutsches Rotes Kreuz (1937–1945/46) überführt.
Eigene Recherche © Wolfgang Kranz
Quelle Text zum Frauenverein: https://roter-kreis.de/Vaterl%C3%A4ndischer_Frauenverein
Abgerufen am 14.02.2025