Paul Mülhens (1875 – 1926)

Jurist und Bürgermeister von Hamborn

Der ge­bür­ti­ge Köl­ner Ju­rist Paul Mül­hens er­warb sich in den ers­ten Jahr­zehn­ten des 20. Jahr­hun­derts gro­ße Ver­diens­te in der Kom­mu­nal­po­li­tik Ham­borns (heu­te Stadt Duis­burg), wo er zunächst Beigeordne­ter und ab 1919 kurz­zei­tig Ober­bür­ger­meis­ter war. Von 1920 bis zu sei­nem Tod stand er dem neu ge­grün­de­ten Sied­lungs­ver­band Ruhr­koh­len­be­zirk (SVR) als des­sen ers­ter Prä­si­dent vor.

Paul Franz Ju­li­us Mül­hens, ge­bo­ren am 10.12.1875 in Köln–Eh­ren­feld als Sohn des Kauf­manns Pe­ter Jo­sef Mül­hens (ge­stor­ben 1919) und der Ma­rie Mül­hens ge­bo­re­ne Piecq, ent­stamm­te ei­nem Zweig der be­kann­ten, mit der Her­stel­lung von Köl­nisch Was­ser (Mar­ke „4711“) erfolgreichen Unternehmerfa­mi­lie und war ka­tho­lisch. Er be­such­te das Apos­tel­gym­na­si­um in Köln und leg­te zu Os­tern 1896 die Ab­itur­prü­fung ab. Nach dem an­schlie­ßen­den ein­jäh­ri­gen Mi­li­tär­dienst be­gann er im Mai 1897 mit dem Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaft an den Uni­ver­si­tä­ten Frei­burg im Breis­gau, Mün­chen un­d Bonn. Sei­ne Re­fe­ren­dar-Sta­tio­nen ab­sol­vier­te er seit Ok­to­ber 1899 im Be­zirk des Ober­lan­des­ge­rich­tes Köln. Nach der Er­nen­nung zum Ge­richt­s­as­ses­sor am 16.5.1904 war er zunächst für kur­ze Zeit beim Amts­ge­richt Köln und da­nach als Wis­sen­schaft­li­cher Hilfs­ar­bei­ter bei der Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung in Düs­sel­dorf tä­tig, wo er mit An­ge­le­gen­hei­ten der Fürsorgeverwaltung, des Land­ar­men­we­sens, der In­va­li­den­ver­si­che­rung und des Stra­ßen­bau­es be­fasst war.

Am 1.4.1906 trat Mül­hens als be­sol­de­ter ju­ris­ti­scher Bei­ge­ord­ne­ter in die Ver­wal­tung der Ge­mein­de und Bür­ger­meis­te­rei Ham­born ein. Zu sei­nen ers­ten Auf­ga­ben ge­hör­te die Neu­ord­nung des kommuna­len Steu­er­we­sens. Mit Bür­ger­meis­ter Fried­rich Schre­cker bau­te Mül­hens die Sozialverwaltung der schnell wach­sen­den In­dus­trie­stadt auf, de­ren Be­völ­ke­rung sich in elf Jah­ren (1900–1910) bei­na­he ver­vier­fach­te. An­läss­lich der Er­he­bung Ham­borns zur Stadt am 1.4.1911 wur­de Mül­hens zum Ers­ten Bei­ge­ord­ne­ten er­nannt. 1914 war er Wohl­fahrts- und Steu­er­de­zer­nent und ferner zu­stän­dig für das Stan­des­amt, Mel­de- und Mi­li­tär­sa­chen so­wie die Rechts­strei­te der Stadt. Einer Par­tei hat Mül­hens nicht an­ge­hört, er stand je­doch der Zen­trums­par­tei na­he

Seit Sep­tem­ber 1914 leis­te­te der Re­ser­ve­of­fi­zier Mül­hens Kriegs­dienst als Haupt­mann der LandwehrIn­fan­te­rie und Ba­tail­lons­füh­rer zu­nächst an der West­front, dann auf dem Bal­kan und zu­letzt (1918) bei den Be­sat­zungs­trup­pen in der Ukrai­ne. Nach dem Waf­fen­still­stand vom 11.11.1918 und der Be­set­zung der Schwarz­meer­hä­fen durch fran­zö­si­sche Trup­pen wur­de Mül­hens’ Ein­heit auf fran­zö­si­sche In­ter­ven­ti­on im De­zem­ber 1918 an der schon be­gon­ne­nen Heim­rei­se per Ei­sen­bahn gehin­dert, in Odes­sa fest­ge­setzt, im März 1919 mit an­de­ren deut­schen Ein­hei­ten per Schiff nach Saloni­ki ge­bracht und dort bis Ju­li 1919 in­ter­niert.

Nach dem Rück­tritt des Ober­bür­ger­meis­ters Schre­cker am 1.7.1919 be­warb sich Mül­hens mit Hil­fe sei­ner Ehe­frau Il­se Schmitz noch von Sa­lo­ni­ki aus um des­sen Nach­fol­ge. We­ni­ge Ta­ge spä­ter kehr­te er nach Ham­born zu­rück und über­nahm als Ers­ter Bei­ge­ord­ne­ter am 14. Ju­li kom­mis­sa­risch die Lei­tung der Stadt­ver­wal­tung. Am 6. Au­gust wur­de er von den Stadt­ver­ord­ne­ten zum Bür­ger­meis­ter ge­wählt; am 12. De­zem­ber ge­neh­mig­te der preu­ßi­sche In­nen­mi­nis­ter die Bei­le­gung der Amts­be­zeich­nung Ober­bür­ger­meis­ter. Mül­hens stand fast ge­nau ein Jahr an der Spit­ze der Stadt.

Es war ei­ne Zeit hef­ti­ger so­zia­ler Un­ru­hen im ge­sam­ten Ruhr­ge­biet und dar­über hin­aus, die im März und April 1920 ih­ren Hö­he­punkt in dem auf den Kapp-Putsch am 13. März fol­gen­den Arbeiteraufstand fan­den. Gut zwei Wo­chen stand Ham­born un­ter der Herr­schaft der links­so­zia­lis­ti­schen „Ro­ten Ruhr­ar­mee“, die Mül­hens im Amt be­ließ, sei­ne Amts­füh­rung und die der Bei­ge­ord­ne­ten je­doch über­wach­te. Der von Mül­hens und den lo­ka­len Füh­rern der Ro­ten Ar­mee ge­fun­de­ne Modus vi­ven­di bei der Auf­recht­er­hal­tung der öf­fent­li­chen Si­cher­heit in Ham­born be­wahr­te die Stadt vor Plün­de­run­gen, wie sie an­de­ren Orts im Ruhr­ge­biet vor­ka­men. Im Früh­som­mer 1920 be­rief die preußi­sche Re­gie­rung Mül­hens mit Wir­kung vom 18.7.1920 zum ers­ten Prä­si­den­ten des Siedlungsverban­des Ruhr­koh­len­be­zirk mit Sitz in Es­sen. Am 17.7.1920 leg­te er sein Amt als Oberbürger­meis­ter nie­der und schied nach vier­zehn­jäh­ri­ger Tä­tig­keit aus der Ver­wal­tung der Stadt Ham­born aus. Der Sied­lungs­ver­band war als Kör­per­schaft des öf­fent­li­chen Rechts und Zweck­ver­band auf­grund ei­nes Kon­zep­tes des da­ma­li­gen Es­se­ner Bau- und Pla­nungs­de­zer­nen­ten Ro­bert Schmidt (1869-1934) aus den Jah­ren 1910/1911 durch ein Lan­des­ge­setz vom 5.5.1920 ge­grün­det wor­den. Grün­dungs­mit­glie­der wa­ren die 17 Stadt­krei­se Bo­chum, Bot­trop, Buer, Dort­mund, Duis­burg, Es­sen, Gel­sen­kir­chen, Glad­beck, Ham­born, Hamm, Her­ne, Hör­de, Mül­heim an der Ruhr, Ober­hau­sen, Reckling­hau­sen, Sterk­ra­de und Wit­ten und die elf Land­krei­se Bo­chum-Land, Dins­la­ken, Dort­mund-Land, Es­sen-Land, Gel­dern, Gel­sen­kir­chen-Land, Hamm-Land, Hat­tin­gen, Hör­de-Land, Mo­ers und Reck­ling­hau­sen-Land. Das Ver­bands­ge­biet um­fass­te 346 Ge­mein­den mit ei­ner Ein­woh­ner­zahl von rund 3,8 Mil­lio­nen. Die wich­tigs­ten Auf­ga­ben die­ser ers­ten Raum­pla­nungs­be­hör­de in Deutsch­land wa­ren die Mit­wir­kung an der Auf­stel­lung von kom­mu­na­len Flä­chen­nut­zungs- und Be­bau­ungs­plä­nen, die Fest­le­gung von Flucht­li­ni­en für über­lo­ka­le Ver­kehrs­we­ge („Ver­kehrs­bän­der“) im Ver­bands­ge­biet, die Er­tei­lung von An­sied­lungs­ge­neh­mi­gun­gen (kon­kret vor al­lem für die vie­len neu­en Ar­bei­ter- und An­ge­stell­ten­sied­lun­gen des Ruhr­berg­bau­es und der Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie), die Si­che­rung und Schaf­fung von grö­ße­ren, von Be­bau­ung frei zu hal­ten­den Flä­chen und die För­de­rung des Kleinbahnwe­sens.

Per­so­nal und Tä­tig­keit des SVR wur­den über die Ver­bands­um­la­ge von den Stadt- und Land­krei­sen finan­ziert. Die fünf Or­ga­ne des SVR wa­ren die Ver­bands­ver­samm­lung (das „Par­la­men­t“), der Verbands­aus­schuss, der Ver­bands­rat, der Ver­bands­prä­si­dent und die ei­gent­li­che Ver­wal­tung un­ter der Lei­tung des Ver­bands­di­rek­tors (zum ers­ten Di­rek­tor wur­de Ro­bert Schmidt be­ru­fen). Das „staatliche“ Ele­ment in der Or­ga­ni­sa­ti­on des SVR, der Ver­bands­prä­si­dent, dem der Ver­bands­rat als Be­schluss­gre­mi­um zu­ge­ord­net war, ver­ei­nig­te in sei­nem Amt für das Ver­bands­ge­biet meh­re­re Aufgaben der preu­ßi­schen Ober­prä­si­den­ten und der Re­gie­rungs­prä­si­den­ten. Er be­auf­sich­tig­te die Ver­wal­tungs­ar­beit und wach­te über de­ren Ver­ein­bar­keit mit den Ge­set­zen und Ver­ord­nun­gen. Darüber hin­aus ar­bei­te­te Mül­hens sehr re­ge an der Ver­wirk­li­chung der Pro­jek­te des SVR mit.

Der Ver­band be­gann sei­ne Ar­beit un­ter an­de­rem mit der Schaf­fung ei­nes Kar­ten­werks als Planungsgrund­la­ge, der Vor­be­rei­tung ei­ner am 18.12.1920 er­las­se­nen Po­li­zei­ver­ord­nung, auf­grund de­rer die Nut­zung von Frei­flä­chen der Zu­stim­mung des Ver­bands­di­rek­tors be­durf­te, der Fest­le­gung von Flucht­li­ni­en für rund 450 Ki­lo­me­ter Au­to­mo­bil-Ver­kehrs­stra­ßen und ei­ni­ge Schie­nen­we­ge und ers­ten Maß­nah­men zur Er­hal­tung von Wald­be­stän­den. Das 1922 ver­ab­schie­de­te preu­ßi­sche Baumschutz­ge­setz ba­sier­te auf Vor­ar­bei­ten des SVR. Bis 1923 wur­den 36,8 Pro­zent des Verbandsgebie­tes zur ge­schütz­ten Na­tur­flä­chen er­klärt. In Her­ten und Hat­tin­gen grün­de­te der SVR Pflan­zen­schu­len zur An­zucht „rauch­har­ter“ Holz­ar­ten, in den gro­ßen Wald­ge­bie­ten bei­der­seits der Lip­pe in­stal­lier­te er ei­nen Feu­er­wach­dienst. Au­ßer­dem be­tei­lig­te sich der Ver­band an der Pla­nung für ei­ne rhei­nisch-west­fä­li­sche „Städ­te­schnell­bahn“, zu de­ren Vor­be­rei­tung 1923 ei­ne Studiengesellschaft ge­grün­det wur­de. En­de 1924 be­gann der vom preu­ßi­schen Staat und dem SVR selbst fi­nan­zier­te Bau der ers­ten Ver­bands­stra­ßen, dar­un­ter der 1932 fer­tig ge­stell­te (alte) Ruhrschnell­weg.

In Mül­hens letz­ten Le­bens­jah­ren litt er an ei­ner fort­ge­schrit­te­nen Lun­gen­krank­heit, de­ren An­fän­ge er sich wäh­rend des Krie­ges im Fel­de zu­ge­zo­gen hat­te. Am 14.3.1926 starb er, den­noch un­er­war­tet, in Schöm­berg im Schwarz­wald, wo er sich zu ei­ner Kur auf­hielt, im Al­ter von 50 Jah­ren. Die Bei­set­zung auf dem Fried­hof Me­la­ten in Köln fand am 18.3.1926 statt.

 

Quelle Text: Kanther, Michael A., Paul Mülhens, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-muelhens/DE-2086/lido/57c950b3ca2595.72369925 (abgerufen am 02.12.2023)

 

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