Jurist und Bürgermeister von Hamborn
Der geÂbürÂtiÂge KölÂner JuÂrist Paul MülÂhens erÂwarb sich in den ersÂten JahrÂzehnÂten des 20. JahrÂhunÂderts groÂße VerÂdiensÂte in der KomÂmuÂnalÂpoÂliÂtik HamÂborns (heuÂte Stadt DuisÂburg), wo er zunächst BeigeordneÂter und ab 1919 kurzÂzeiÂtig OberÂbürÂgerÂmeisÂter war. Von 1920 bis zu seiÂnem Tod stand er dem neu geÂgrünÂdeÂten SiedÂlungsÂverÂband RuhrÂkohÂlenÂbeÂzirk (SVR) als desÂsen ersÂter PräÂsiÂdent vor.
Paul Franz JuÂliÂus MülÂhens, geÂboÂren am 10.12.1875 in Köln–EhÂrenÂfeld als Sohn des KaufÂmanns PeÂter JoÂsef MülÂhens (geÂstorÂben 1919) und der MaÂrie MülÂhens geÂboÂreÂne Piecq, entÂstammÂte eiÂnem Zweig der beÂkannÂten, mit der HerÂstelÂlung von KölÂnisch WasÂser (MarÂke „4711“) erfolgreichen UnternehmerfaÂmiÂlie und war kaÂthoÂlisch. Er beÂsuchÂte das AposÂtelÂgymÂnaÂsiÂum in Köln und legÂte zu OsÂtern 1896 die AbÂiturÂprüÂfung ab. Nach dem anÂschlieÂßenÂden einÂjähÂriÂgen MiÂliÂtärÂdienst beÂgann er im Mai 1897 mit dem StuÂdiÂum der RechtsÂwisÂsenÂschaft an den UniÂverÂsiÂtäÂten FreiÂburg im BreisÂgau, MünÂchen unÂd Bonn. SeiÂne ReÂfeÂrenÂdar-StaÂtioÂnen abÂsolÂvierÂte er seit OkÂtoÂber 1899 im BeÂzirk des OberÂlanÂdesÂgeÂrichÂtes Köln. Nach der ErÂnenÂnung zum GeÂrichtÂsÂasÂsesÂsor am 16.5.1904 war er zunächst für kurÂze Zeit beim AmtsÂgeÂricht Köln und daÂnach als WisÂsenÂschaftÂliÂcher HilfsÂarÂbeiÂter bei der RheiÂniÂschen ProÂvinÂziÂalÂverÂwalÂtung in DüsÂselÂdorf täÂtig, wo er mit AnÂgeÂleÂgenÂheiÂten der Fürsorgeverwaltung, des LandÂarÂmenÂweÂsens, der InÂvaÂliÂdenÂverÂsiÂcheÂrung und des StraÂßenÂbauÂes beÂfasst war.
Am 1.4.1906 trat MülÂhens als beÂsolÂdeÂter juÂrisÂtiÂscher BeiÂgeÂordÂneÂter in die VerÂwalÂtung der GeÂmeinÂde und BürÂgerÂmeisÂteÂrei HamÂborn ein. Zu seiÂnen ersÂten AufÂgaÂben geÂhörÂte die NeuÂordÂnung des kommunaÂlen SteuÂerÂweÂsens. Mit BürÂgerÂmeisÂter FriedÂrich SchreÂcker bauÂte MülÂhens die Sozialverwaltung der schnell wachÂsenÂden InÂdusÂtrieÂstadt auf, deÂren BeÂvölÂkeÂrung sich in elf JahÂren (1900–1910) beiÂnaÂhe verÂvierÂfachÂte. AnÂlässÂlich der ErÂheÂbung HamÂborns zur Stadt am 1.4.1911 wurÂde MülÂhens zum ErsÂten BeiÂgeÂordÂneÂten erÂnannt. 1914 war er WohlÂfahrts- und SteuÂerÂdeÂzerÂnent und ferner zuÂstänÂdig für das StanÂdesÂamt, MelÂde- und MiÂliÂtärÂsaÂchen soÂwie die RechtsÂstreiÂte der Stadt. Einer ParÂtei hat MülÂhens nicht anÂgeÂhört, er stand jeÂdoch der ZenÂtrumsÂparÂtei naÂhe
Seit SepÂtemÂber 1914 leisÂteÂte der ReÂserÂveÂofÂfiÂzier MülÂhens KriegsÂdienst als HauptÂmann der LandwehrInÂfanÂteÂrie und BaÂtailÂlonsÂfühÂrer zuÂnächst an der WestÂfront, dann auf dem BalÂkan und zuÂletzt (1918) bei den BeÂsatÂzungsÂtrupÂpen in der UkraiÂne. Nach dem WafÂfenÂstillÂstand vom 11.11.1918 und der BeÂsetÂzung der SchwarzÂmeerÂhäÂfen durch franÂzöÂsiÂsche TrupÂpen wurÂde MülÂhens’ EinÂheit auf franÂzöÂsiÂsche InÂterÂvenÂtiÂon im DeÂzemÂber 1918 an der schon beÂgonÂneÂnen HeimÂreiÂse per EiÂsenÂbahn gehinÂdert, in OdesÂsa festÂgeÂsetzt, im März 1919 mit anÂdeÂren deutÂschen EinÂheiÂten per Schiff nach SaloniÂki geÂbracht und dort bis JuÂli 1919 inÂterÂniert.
Nach dem RückÂtritt des OberÂbürÂgerÂmeisÂters SchreÂcker am 1.7.1919 beÂwarb sich MülÂhens mit HilÂfe seiÂner EheÂfrau IlÂse Schmitz noch von SaÂloÂniÂki aus um desÂsen NachÂfolÂge. WeÂniÂge TaÂge späÂter kehrÂte er nach HamÂborn zuÂrück und überÂnahm als ErsÂter BeiÂgeÂordÂneÂter am 14. JuÂli komÂmisÂsaÂrisch die LeiÂtung der StadtÂverÂwalÂtung. Am 6. AuÂgust wurÂde er von den StadtÂverÂordÂneÂten zum BürÂgerÂmeisÂter geÂwählt; am 12. DeÂzemÂber geÂnehÂmigÂte der preuÂßiÂsche InÂnenÂmiÂnisÂter die BeiÂleÂgung der AmtsÂbeÂzeichÂnung OberÂbürÂgerÂmeisÂter. MülÂhens stand fast geÂnau ein Jahr an der SpitÂze der Stadt.
Es war eiÂne Zeit hefÂtiÂger soÂziaÂler UnÂruÂhen im geÂsamÂten RuhrÂgeÂbiet und darÂüber hinÂaus, die im März und April 1920 ihÂren HöÂheÂpunkt in dem auf den Kapp-Putsch am 13. März folÂgenÂden Arbeiteraufstand fanÂden. Gut zwei WoÂchen stand HamÂborn unÂter der HerrÂschaft der linksÂsoÂziaÂlisÂtiÂschen „RoÂten RuhrÂarÂmee“, die MülÂhens im Amt beÂließ, seiÂne AmtsÂfühÂrung und die der BeiÂgeÂordÂneÂten jeÂdoch überÂwachÂte. Der von MülÂhens und den loÂkaÂlen FühÂrern der RoÂten ArÂmee geÂfunÂdeÂne Modus viÂvenÂdi bei der AufÂrechtÂerÂhalÂtung der öfÂfentÂliÂchen SiÂcherÂheit in HamÂborn beÂwahrÂte die Stadt vor PlünÂdeÂrunÂgen, wie sie anÂdeÂren Orts im RuhrÂgeÂbiet vorÂkaÂmen. Im FrühÂsomÂmer 1920 beÂrief die preußiÂsche ReÂgieÂrung MülÂhens mit WirÂkung vom 18.7.1920 zum ersÂten PräÂsiÂdenÂten des SiedlungsverbanÂdes RuhrÂkohÂlenÂbeÂzirk mit Sitz in EsÂsen. Am 17.7.1920 legÂte er sein Amt als OberbürgerÂmeisÂter nieÂder und schied nach vierÂzehnÂjähÂriÂger TäÂtigÂkeit aus der VerÂwalÂtung der Stadt HamÂborn aus. Der SiedÂlungsÂverÂband war als KörÂperÂschaft des öfÂfentÂliÂchen Rechts und ZweckÂverÂband aufÂgrund eiÂnes KonÂzepÂtes des daÂmaÂliÂgen EsÂseÂner Bau- und PlaÂnungsÂdeÂzerÂnenÂten RoÂbert Schmidt (1869-1934) aus den JahÂren 1910/1911 durch ein LanÂdesÂgeÂsetz vom 5.5.1920 geÂgrünÂdet worÂden. GrünÂdungsÂmitÂglieÂder waÂren die 17 StadtÂkreiÂse BoÂchum, BotÂtrop, Buer, DortÂmund, DuisÂburg, EsÂsen, GelÂsenÂkirÂchen, GladÂbeck, HamÂborn, Hamm, HerÂne, HörÂde, MülÂheim an der Ruhr, OberÂhauÂsen, RecklingÂhauÂsen, SterkÂraÂde und WitÂten und die elf LandÂkreiÂse BoÂchum-Land, DinsÂlaÂken, DortÂmund-Land, EsÂsen-Land, GelÂdern, GelÂsenÂkirÂchen-Land, Hamm-Land, HatÂtinÂgen, HörÂde-Land, MoÂers und ReckÂlingÂhauÂsen-Land. Das VerÂbandsÂgeÂbiet umÂfassÂte 346 GeÂmeinÂden mit eiÂner EinÂwohÂnerÂzahl von rund 3,8 MilÂlioÂnen. Die wichÂtigsÂten AufÂgaÂben dieÂser ersÂten RaumÂplaÂnungsÂbeÂhörÂde in DeutschÂland waÂren die MitÂwirÂkung an der AufÂstelÂlung von komÂmuÂnaÂlen FläÂchenÂnutÂzungs- und BeÂbauÂungsÂpläÂnen, die FestÂleÂgung von FluchtÂliÂniÂen für überÂloÂkaÂle VerÂkehrsÂweÂge („VerÂkehrsÂbänÂder“) im VerÂbandsÂgeÂbiet, die ErÂteiÂlung von AnÂsiedÂlungsÂgeÂnehÂmiÂgunÂgen (konÂkret vor alÂlem für die vieÂlen neuÂen ArÂbeiÂter- und AnÂgeÂstellÂtenÂsiedÂlunÂgen des RuhrÂbergÂbauÂes und der EiÂsen- und StahlÂinÂdusÂtrie), die SiÂcheÂrung und SchafÂfung von gröÂßeÂren, von BeÂbauÂung frei zu halÂtenÂden FläÂchen und die FörÂdeÂrung des KleinbahnweÂsens.
PerÂsoÂnal und TäÂtigÂkeit des SVR wurÂden über die VerÂbandsÂumÂlaÂge von den Stadt- und LandÂkreiÂsen finanÂziert. Die fünf OrÂgaÂne des SVR waÂren die VerÂbandsÂverÂsammÂlung (das „ParÂlaÂmenÂt“), der VerbandsÂausÂschuss, der VerÂbandsÂrat, der VerÂbandsÂpräÂsiÂdent und die eiÂgentÂliÂche VerÂwalÂtung unÂter der LeiÂtung des VerÂbandsÂdiÂrekÂtors (zum ersÂten DiÂrekÂtor wurÂde RoÂbert Schmidt beÂruÂfen). Das „staatliche“ EleÂment in der OrÂgaÂniÂsaÂtiÂon des SVR, der VerÂbandsÂpräÂsiÂdent, dem der VerÂbandsÂrat als BeÂschlussÂgreÂmiÂum zuÂgeÂordÂnet war, verÂeiÂnigÂte in seiÂnem Amt für das VerÂbandsÂgeÂbiet mehÂreÂre Aufgaben der preuÂßiÂschen OberÂpräÂsiÂdenÂten und der ReÂgieÂrungsÂpräÂsiÂdenÂten. Er beÂaufÂsichÂtigÂte die VerÂwalÂtungsÂarÂbeit und wachÂte über deÂren VerÂeinÂbarÂkeit mit den GeÂsetÂzen und VerÂordÂnunÂgen. Darüber hinÂaus arÂbeiÂteÂte MülÂhens sehr reÂge an der VerÂwirkÂliÂchung der ProÂjekÂte des SVR mit.
Der VerÂband beÂgann seiÂne ArÂbeit unÂter anÂdeÂrem mit der SchafÂfung eiÂnes KarÂtenÂwerks als PlanungsgrundÂlaÂge, der VorÂbeÂreiÂtung eiÂner am 18.12.1920 erÂlasÂseÂnen PoÂliÂzeiÂverÂordÂnung, aufÂgrund deÂrer die NutÂzung von FreiÂfläÂchen der ZuÂstimÂmung des VerÂbandsÂdiÂrekÂtors beÂdurfÂte, der FestÂleÂgung von FluchtÂliÂniÂen für rund 450 KiÂloÂmeÂter AuÂtoÂmoÂbil-VerÂkehrsÂstraÂßen und eiÂniÂge SchieÂnenÂweÂge und ersÂten MaßÂnahÂmen zur ErÂhalÂtung von WaldÂbeÂstänÂden. Das 1922 verÂabÂschieÂdeÂte preuÂßiÂsche BaumschutzÂgeÂsetz baÂsierÂte auf VorÂarÂbeiÂten des SVR. Bis 1923 wurÂden 36,8 ProÂzent des VerbandsgebieÂtes zur geÂschützÂten NaÂturÂfläÂchen erÂklärt. In HerÂten und HatÂtinÂgen grünÂdeÂte der SVR PflanÂzenÂschuÂlen zur AnÂzucht „rauchÂharÂter“ HolzÂarÂten, in den groÂßen WaldÂgeÂbieÂten beiÂderÂseits der LipÂpe inÂstalÂlierÂte er eiÂnen FeuÂerÂwachÂdienst. AuÂßerÂdem beÂteiÂligÂte sich der VerÂband an der PlaÂnung für eiÂne rheiÂnisch-westÂfäÂliÂsche „StädÂteÂschnellÂbahn“, zu deÂren VorÂbeÂreiÂtung 1923 eiÂne Studiengesellschaft geÂgrünÂdet wurÂde. EnÂde 1924 beÂgann der vom preuÂßiÂschen Staat und dem SVR selbst fiÂnanÂzierÂte Bau der ersÂten VerÂbandsÂstraÂßen, darÂunÂter der 1932 ferÂtig geÂstellÂte (alte) RuhrschnellÂweg.
In MülÂhens letzÂten LeÂbensÂjahÂren litt er an eiÂner fortÂgeÂschritÂteÂnen LunÂgenÂkrankÂheit, deÂren AnÂfänÂge er sich wähÂrend des KrieÂges im FelÂde zuÂgeÂzoÂgen hatÂte. Am 14.3.1926 starb er, denÂnoch unÂerÂwarÂtet, in SchömÂberg im SchwarzÂwald, wo er sich zu eiÂner Kur aufÂhielt, im AlÂter von 50 JahÂren. Die BeiÂsetÂzung auf dem FriedÂhof MeÂlaÂten in Köln fand am 18.3.1926 statt.
Quelle Text: Kanther, Michael A., Paul Mülhens, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-muelhens/DE-2086/lido/57c950b3ca2595.72369925 (abgerufen am 02.12.2023)