Carl Schorn (1818 – 1900)

Jurist und Abgeordneter des Frankfurter Landtags

Carl Schorn war Ju­rist und als Nach­fol­ger von Ja­kob Grimm li­be­ra­ler Ab­ge­ord­ne­ter der Frank­fur­ter Na­tio­nal­ver­samm­lung. Trotz sei­ner Rol­le wäh­rend der Re­vo­lu­ti­on ge­lang ihm ei­ne Kar­rie­re als Ju­rist in der preu­ßi­schen Rhein­pro­vinz, zu­letzt als Land­ge­richts­prä­si­dent von Ko­blenz.

Carl Schorn kam am 28.11.1818 in Es­sen zur Welt. Er ver­brach­te sei­ne Kind­heit und frü­he Ju­gend in den ka­tho­lisch-ge­präg­ten, ein­fa­chen aber be­hag­li­chen Ver­hält­nis­sen ei­nes bür­ger­li­chen Hau­ses als Sohn des Ren­dan­ten Theo­dor Phil­ipp Schorn und des­sen Ehe­frau Chris­ti­na La­ni­us, der Toch­ter ei­nes Hof­ra­tes der Fürst­ab­tei Es­sen. Nach dem Ab­itur be­gann Schorn im Ok­to­ber 1836 – da­mals ei­ner von 659 Stu­den­ten – mit dem Ju­ra­stu­di­um an der Uni­ver­si­tät Bonn und trat in das Stu­den­ten­corps Guest­pha­lia ein. Im Früh­jahr 1838 wech­sel­te er nach Ber­lin, um das Stu­di­um dort bis 1840 fort­zu­set­zen und zu­gleich sein frei­wil­li­ges Mi­li­tär­jahr im Gar­de­schüt­zen­ba­tail­lon zu ab­sol­vie­ren.

Im preu­ßi­schen Be­sitz- und Bil­dungs­bür­ger­tum war es seit 1815 nicht un­üb­lich, die Söh­ne frei­wil­lig nur ein Jahr die­nen zu las­sen und die Kos­ten für Ver­pfle­gung, Un­ter­kunft und Aus­rüs­tung selbst zu tra­gen. Denn nach die­sem re­du­zier­ten Wehr­dienst konn­ten qua­li­fi­zier­te Aspi­ran­ten das Pa­tent ei­nes Land­wehr­of­fi­ziers er­hal­ten. Die Land­wehr-Mi­liz bil­de­te im Kriegs­fall ne­ben den ak­ti­ven Trup­pen das preu­ßi­sche Feld­heer. Carl Schorn trat als Leut­nant in das 36. Land­wehr­ba­tail­lon ein, des­sen Stand­ort sei­ne Hei­mat­stadt Es­sen war. Das kom­plet­te Ba­tail­lon (et­wa 500 Mann) trat nur ein­mal jähr­lich zu ei­ner 14 Ta­ge dau­ern­den Übung zu­sam­men. In sei­nen Er­in­ne­run­gen geht er zu­meist hu­mo­ris­tisch auf die Män­gel und De­fi­zi­te des preu­ßi­schen Land­wehr­sys­tems ein.

In den ers­ten sechs Jah­ren sei­ner Lauf­bahn im preu­ßi­schen Jus­tiz­dienst war Schorn als Aus­kulta­tor und Re­fe­ren­dar bei Jus­tiz­be­hör­den in Köln, Es­sen und Hamm an­ge­stellt. 1846 be­stand er das As­ses­sor­ex­amen in Ber­lin und wur­de an das Land­ge­richt Köln über­wie­sen. Ein Jahr spä­ter er­hielt er dort ei­ne Frei­stel­lung zum Stu­di­um des Berg­we­sens, um dann im Berg­amt Es­sen als Bei­sit­zer der ju­ris­ti­schen Ab­tei­lung zu fun­gie­ren. An­schlie­ßend be­fand er sich bis zum Aus­bruch der Re­vo­lu­ti­on 1848 auf Stu­di­en­rei­sen in Ita­li­en, Ös­ter­reich und der Schweiz. Wie an­de­re Li­be­ra­le ver­miss­te Carl Schorn in Preu­ßen ei­ne kon­sti­tu­tio­nel­le Mon­ar­chie mit ge­samt­staat­li­cher Volks­ver­tre­tung. Der von Fried­rich Wil­helm IV. nach Ber­lin ein­be­ru­fe­ne Ver­ei­nig­te Land­tag ging im Ju­ni 1847 er­geb­nis­los aus­ein­an­der. In Preu­ßen schwel­te ei­ne gra­vie­ren­de in­ne­re Kri­se. Auch hier ent­fal­te­te die Pa­ri­ser Fe­bru­ar­re­vo­lu­ti­on Si­gnal­wir­kung – zu­nächst auf die Rhein­pro­vinz.

Schorn er­leb­te die spon­ta­nen An­fän­ge frei­heit­li­chen Auf­bru­ches in Köln und Es­sen, wo er zeit­wei­se auch dienst­lich zu tun hat­te. In sei­ner Hei­mat­stadt wur­de er Mit­glied ei­nes li­be­ra­len Clubs und ver­trat hier ei­ne „ge­mä­ßig­te“ (da­her kon­sti­tu­tio­nel­le) Rich­tung. Er ge­hör­te auch der Bür­ger­wehr an, die sich mit kö­nig­li­cher Zu­stim­mung eben­falls in Es­sen ge­bil­det hat­te. Am 23.11.1848 wur­de er als Nach­fol­ger des be­kann­ten Ge­lehr­ten Ja­kob Grimm (1785–1863) in die deut­sche Na­tio­nal­ver­samm­lung in Frank­furt am Main ge­wählt, der aus Ent­täu­schung über die schlep­pen­de Ar­beits­wei­se des Par­la­ments sein Man­dat nie­der­ge­legt hat­te. Als Ver­tre­ter des 29. Wahl­krei­ses Es­sen/Mühl­heim an der Ruhr ge­hör­te Schorn wäh­rend sei­ner kur­zen par­la­men­ta­ri­schen Tä­tig­keit der Frak­ti­on „Würt­tem­ber­ger Hof“ (lin­ke Mit­te) an.

Schorn war kein Ora­tor und De­bat­tie­rer, be­tei­lig­te sich kaum an den ste­ti­gen Re­de­schlach­ten und Mei­nungs­kämp­fen des ers­ten ge­samt­deut­schen Par­la­ments und rich­te­te sich bei Ab­stim­mun­gen ge­wöhn­lich nach der Mehr­heit sei­ner Frak­ti­on. Er ent­schied sich für die Wahl des preu­ßi­schen Kö­nigs zum „Kai­ser der Deut­schen“ und ver­trat die wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des ei­ge­nen Wahl­krei­ses, et­wa mit sei­nem En­ga­ge­ment für die Ein­füh­rung ei­nes all­ge­mei­nen deut­schen Berg­ge­set­zes En­de Ja­nu­ar 1849. Am 26.5. schied Carl Schorn aus der Na­tio­nal­ver­samm­lung aus, um ei­nem Ein­be­ru­fungs­be­fehl der Land­wehr in Es­sen zu fol­gen. Zu­vor hat­te er ge­mein­sam mit na­he­zu al­len preu­ßi­schen Ju­ris­ten im Par­la­ment ge­gen ei­nen be­fehls­ar­ti­gen Rück­ruf ih­res Jus­tiz­mi­nis­ters Lud­wig Si­mons (1803-1870) pro­tes­tiert. Schorn er­leb­te durch­aus die ei­ne oder an­de­re Stern­stun­de der deut­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung mit – et­wa die De­bat­ten um die Grund­rech­te und de­ren Ver­ab­schie­dung am 27.12.1848. Al­ler­dings wur­de er auch Zeu­ge par­la­men­ta­ri­schen Be­deu­tungs­ver­lus­tes und Mit­glie­der­schwun­des im Zu­ge des kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­ren Roll­back.

Als Schorn in Es­sen zu sei­nem Ba­tail­lon stieß, war die Si­tua­ti­on sehr an­ge­spannt. Die Mo­bi­li­sie­rung der Land­wehr, oh­ne dass Krieg mit ei­ner aus­wär­ti­gen Macht droh­te oder be­stand, stieß in der stark po­li­ti­sier­ten Öf­fent­lich­keit der Rhein­pro­vinz auf mas­si­ve Kri­tik. Noch zu An­fang des Mo­nats hat­ten Land­wehr­de­pu­ta­tio­nen bei ei­ner Kon­fe­renz in El­ber­feld be­schlos­sen, nur noch Be­feh­len des Frank­fur­ter Par­la­ments Fol­ge zu leis­ten. Ana­log zu an­de­ren Städ­ten er­folg­te die Mo­bi­li­sie­rung des Es­se­ner Ba­tail­lons un­ter gro­ßen Schwie­rig­kei­ten und an­ge­droh­ten Ge­walt­ma­ß­re­geln. Es wur­de gleich nach der Ein­klei­dung ins „ru­hi­ge­re“ Bor­ken und dann nach Aa­chen ver­legt. Zum Ein­satz ge­gen re­vo­lu­tio­nä­re Kräf­te kam es nicht mehr. Schorn be­wahr­te noch et­li­che auf­re­gen­de, be­denk­li­che und auch ko­mi­sche Vor­komm­nis­se in Er­in­ne­rung, konn­te je­doch die Mo­bi­li­sie­rung 1849 un­be­scha­det und un­be­schol­ten be­en­den. Eben­so ei­ne zwei­te im fol­gen­den Jahr, be­vor er kurz dar­auf in Eh­ren ver­ab­schie­det wur­de.

En­de des Jah­res 1849 setz­te Carl Schorn sei­ne Kar­rie­re am Land­ge­rich­t Ko­blen­z fort, wo er nach ei­ge­nen Aus­sa­gen wei­ter­hin in der glän­zen­den Stel­lung ei­nes un­be­sol­de­ten As­ses­sors ver­blei­ben muss­te. Oh­ne Rück­griff auf pri­va­te Mit­tel wä­re sein Be­rufs­weg nicht mög­lich ge­we­sen. Wie an­de­ren Frank­fur­ter „Pro­tes­tan­ten“ wur­de ihm der wei­te­re Staats­dienst er­schwert. Sei­ne Be­för­de­rung er­folg­te erst mit ei­ni­ger Ver­zö­ge­rung im Früh­jahr 1853. Als Staats­pro­ku­ra­tor (Staats­an­walt) am Land­ge­richt Düs­sel­dorf hei­ra­te­te er noch im glei­chen Jahr Hen­ri­et­te An­ge­li­na Fran­cis­ca gen. Fan­ny Hauchecor­ne (1826-1909), die evan­ge­li­sche Toch­ter des ver­mö­gen­den Aa­che­ner Steu­er­rats Lud­wig Hauchecor­ne. Die Ge­burt ih­rer Toch­ter He­le­ne folg­te 1858.

Schorn en­ga­gier­te sich nach der Re­vo­lu­ti­on wei­ter­hin im Ver­eins­we­sen und zähl­te 1851 bei­spiels­wei­se zu den Mit­be­grün­dern de­s Bon­ner Beet­ho­ven­ver­eins. Ein po­li­ti­sches Amt be­klei­de­te er in­des nicht mehr. Sei­ne Er­in­ne­run­gen zeu­gen von ei­nem ge­wis­sen Wan­del der po­li­ti­schen Ein­stel­lung um 1866 und da­nach. Nach der Spal­tung des preu­ßi­schen (und deut­schen) Li­be­ra­lis­mus hielt er sich of­fen­bar zu den Na­tio­nal­li­be­ra­len, die ih­ren al­ten Traum von na­tio­na­ler Ein­heit er­füllt sa­hen und die un­ge­nü­gen­de Par­la­men­ta­ri­sie­rung in Kauf nah­men.

Die Art und Wei­se, in der er über sei­ne Auf­ent­hal­te im Aus­land be­rich­tet, spricht für per­sön­li­che Welt­of­fen­heit und Un­vor­ein­ge­nom­men­heit. Die­se be­währ­ten sich zu so un­ter­schied­li­chen An­läs­sen wie et­wa als er Hein­rich Hei­ne in des­sen Pa­ri­ser „Ma­trat­zen­gruf­t“ be­such­te oder wäh­rend ei­ner Au­di­enz bei Papst Pi­us IX. (1792-1878) im Va­ti­kan. Welt­aus­stel­lun­gen in Pa­ris und Lon­don sa­hen ihn eben­so als be­geis­ter­ten Be­su­cher wie die Rhei­ni­schen Mu­sik­fes­te. Die Freund­schaft mit sei­nem Es­se­ner Weg­ge­fähr­ten Al­fred Krupp lenk­te Schorns Blick früh auf die Welt von In­dus­trie und Tech­nik.

Nach­dem er in­ ­Trier und ab 1868 in Bonn eben­falls als Staats­an­walt am­tiert hat­te, führ­te ihn der deutsch-fran­zö­si­sche Krieg nach Loth­rin­gen, wo er 1870 Prä­si­dent des „Kriegs­ge­richts“ in Metz wur­de. Da­bei han­del­te es sich nicht um ein Or­gan der Mi­li­tär­jus­tiz, son­dern um ein Pro­vi­so­ri­um der deut­schen Be­sat­zungs­mäch­te. Wie in sei­nem Straß­bur­ger Pen­dant wur­de hier die hö­he­re Straf­jus­tiz in El­sass-Loth­rin­gen wahr­ge­nom­men, da nach dem Sturz des Kai­ser­rei­ches in den be­setz­ten und spä­ter an­nek­tier­ten Ge­bie­ten al­le fran­zö­si­sche Recht­spre­chung auf­ge­hört hat­te. Schorn lei­te­te bis Ju­ni 1872 das Met­zer „Kriegs­ge­rich­t“, das zu­meist re­la­tiv mil­de Ur­tei­le fäll­te. Auch die hö­he­re fran­zö­si­sche Straf­jus­tiz hat­te in jün­ge­rer Zeit mil­dern­de und ent­las­ten­de Um­stän­de stär­ker in Be­tracht ge­zo­gen. In die rund 18-mo­na­ti­ge Prä­si­dent­schaft Schorns fie­len drei To­des­ur­tei­le, die von Kai­ser Wil­helm I. nicht be­stä­tigt wur­den.

Als im so­ge­nann­ten „Reichs­lan­d“ die deut­sche Rechts- und Ge­richts­ord­nung of­fi­zi­ell ein­ge­führt wur­de, lehn­te Schorn das An­ge­bot ab, als Kam­mer­prä­si­dent am neu­en Land­ge­richt in Metz zu ver­blei­ben. Statt­des­sen wech­sel­te er 1873 nach län­ge­rem Kur­auf­ent­halt so­wie ei­nem Er­ho­lungs­ur­laub in der Schweiz und in Ita­li­en als Kam­mer­prä­si­dent an das Land­ge­rich­t Saar­brü­cken. Dies war auch mit der Lei­tung des dor­ti­gen Han­dels­ge­richts ver­bun­den. Fünf Jah­re spä­ter trat er das eh­ren­vol­le Amt des Land­ge­richts­prä­si­den­ten in­ ­Ko­blen­z an. Hier wirk­te er bis zu sei­nem Ein­tritt in den Ru­he­stand 1883, den er in Bonn ver­brach­te. Hier setz­te er sich für den Bau ei­ner Rhein­brü­cke ein und war im Krie­ger­ver­ein ak­tiv. Gleich­zei­tig trug er mit his­to­ri­schen For­schun­gen zu den „Eif­lia Sa­cra“ bei und wur­de 1889 zum Mit­glied des Ei­fel­ver­eins in An­der­nach er­nannt.

Noch im ho­hen Al­ter stand er un­ter an­de­ren im Mit­tel­punkt ei­nes viel be­ach­te­ten kom­mu­na­len Pro­jekts. Da sich die Er­öff­nung der Deut­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung in der Pauls­kir­che am 18.5.1898 zum 50. Mal jähr­te, be­ging die Stadt Frank­furt am Main das Ju­bi­lä­um mit ei­nem gro­ßen Emp­fang und wei­te­ren Fest­ver­an­stal­tun­gen. Von den ehe­ma­li­gen Ab­ge­ord­ne­ten 1848/49 leb­ten noch 16. Al­ler­dings konn­ten nur noch fünf von ih­nen der städ­ti­schen Ein­la­dung Fol­ge leis­ten, dar­un­ter der „Rhein­preu­ße“ Carl Schorn.

 

Quelle Text: Langhoff, Helmut, Carl Schorn, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-schorn-/DE-2086/lido/66a8b2fbc5d241.79587540 (abgerufen am 22.11.2024)

 

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