Bankier
Ruth Bein kommt am 30. August 1898 als Ruth Bertuch in Köln zur Welt. Ihre Eltern gehören dem Großbürgertum an; die Gesinnung des evangelischen Elternhauses ist deutsch-national. Dennoch heiratet sie mit Dr. Wilhelm Bein einen – wenn auch christlich getauften – Juden.
Nach dem ersten Weltkrieg arbeitet Dr. Bein unter Erzberger in der Waffenstillstandskommission mit und danach unter Außenminister Gustav Stresemann im Auswärtigen Amt und als Legionsrat an der Botschaft in Belgrad. Besonders am Herzen liegt ihm, der in Berlin auf das französische Gymnasium gegangen war, die schon von Stresemann angestrebte Einigung Europas. Er wirkt mit an den Vertragsabschlüssen von Locarno und beteiligt sich an den Vorbereitungen für Deutschlands Eintritt in den Völkerbund. Das macht ihn unbeliebt bei den Nationalsozialisten und er verlässt den diplomatischen Dienst. Seit Ende der zwanziger Jahre arbeitet Dr. Bein als Bankdirektor in Köln.
Als ein Kind unterwegs ist, bauen Ruth und Wilhelm Bein ein Fachwerk haus in Odenthal-Holz aus.
1934 wird das Schicksalsjahr der Familie. Hitler hat die Macht ergriffen; den Nazis ist Wilhelm Beins politische Einstellung nicht unbekannt geblieben: Er wird in Köln verhaftet. In dieser äußerst belasteten Situation tritt die schwangere Ruth Bein vom evangelischen zum katholischen Glauben über, weil sie in Pfarrer Mäurer in Altenberg Rückhalt und Hilfe erfährt. »Und außerdem waren die katholischen Kirchen immer offen, wenn ich Ruhe zum Gebet suchte«, sagt Ruth Bein später.
Als ihr Mann von der Gestapo nach Berlin überstellt wird, fährt sie sofort in die Hauptstadt, um ihre Beziehungen spielen zu lassen. Trotz ihres Zustandes setzt sich Ruth Bein vehement für die Befreiung ihres Mannes ein. Unzählige Adressen von Rechtsanwälten, Diplomaten, Industriellen und Staatssekretären finden sich im Nachlass. Selbst mit SS-Männern und Offizieren verhandelt die stets selbstbewusst auftretende Ruth Bein. Sie appelliert an sämtliche Freunde und Bekannte, um Wege zu finden, ihren Mann aus dem Räderwerk des Unrechtsstaates zu befreien. In diesen Wochen begeht Dr. Wilhelm Beins jüdische Mutter in Odenthal-Holz aus Verzweiflung Selbstmord. Durch unablässige Vorsprachen und Beziehungen in höchsten Offizierskreisen und der Großindustrie erreicht Ruth jedoch, dass Dr. Wilhelm Bein tatsächlich »vorläufig« aus dem Gefängnis entlassen wird. Ein Urteilsspruch erfolgt nie. Es gibt keine Entschädigung für die monatelange Haft.
In den folgenden Jahren wird die Lage der Juden immer unhaltbarer. Zunehmend stehen sie mittellos da, werden drangsaliert, ihrer Arbeitsmöglichkeiten beraubt, oft sogar enteignet. Erst recht, nachdem sie für ihren Mann die Freilassung durchgesetzt hat, verhilft Ruth Bein nun mehr bedrängten Freunden und Bekannten zur Flucht ins Ausland. Stets setzt sie sich dabei eigener Gefährdung aus, was ihre Courage offenbar nur noch mehr steigert. Ruth Bein unterstützt die Ausreisewilligen finanziell – denn die Nazis lassen sich die Erlaubnis zur Emigration zeitweise teuer bezahlen – und setzt, wie zuvor für ihren Mann, ihre Beziehungen zu einflussreichen Personen ein, damit die notwendigen Papiere beschafft werden können. Da ist zum Beispiel Ruth David (später verheiratete Hirsch), mit der zusammen Ruth Bein ihre Jugendjahre in einem Mädchenpensionat in Weimar verbracht hatte. Diese jüdische Freundin kann mit Ruth Beins Hilfe rechtzeitig Deutschland verlassen und nach Südafrika auswandern, wo sie Anfang der 70er Jahre in Johannisburg verstirbt. Auch Rechtsanwalt Dr. Schwarzer ist ein jüdischer Freund der Familie. Ihm verhilft Ruth Bein zur Flucht; er wird später in den USA wieder als Jurist arbeiten.
Schließlich erkennt auch Ruth Beins Ehemann, dass seine Lage als Jude und politisch Missliebiger in Deutschland zu gefährlich geworden ist. 1939 nimmt Dr. Wilhelm Bein Abschied von seiner Frau und seinem Kind und flieht über Holland nach Frankreich. Dort erhält er zwar eine kurze Aufenthaltserlaubnis, jedoch kein Asyl. Als zudem auch dieses Land von den Deutschen im zweiten Kriegsjahr 1940 besetzt wird, bleibt nur noch die neutrale Schweiz als Zufluchtsort.
Über den Altenberger Pfarrer Mäurer stellt Ruth Bein ihr Haus in Odenthal-Holz einem Düsseldorfer Nonnenkloster für ein Kinderheim zur Verfügung, damit es nicht von der Gestapo enteignet wird. Sie siedelt mit ihrem kleinen Sohn nach Ascona in der Schweiz um und trifft dort wieder mit ihrem Mann zusammen. Da Emigranten in der Schweiz keine Arbeitserlaubnis bekommen, muss die Familie von Rücklagen leben. In der ersten Zeit fährt Ruth Bein noch öfters nach Köln, um ihre Einkünfte zu transferieren. Dann – es ist ja Krieg seit September 1939 werden die Grenzen dicht gemacht; Ruth Bein bekommt keine Devisen mehr. Trotz sparsamster Haushaltsführung sind die finanziellen Mittel gegen Ende 1941 aufgebraucht. Die Familie Bein wird aus der Schweiz ausgewiesen.
In Bayern wähnt sie sich einigermaßen sicher vor Verfolgung. Aber diese Annahme erweist sich als Illusion, der Nazistaat greift zu. Kaum betritt die Familie bayrischen Boden, fährt Ruth Bein nach Köln zu ihren Eltern, um Geldmittel zu besorgen und um nach ihrer alten Mutter 53 zu sehen. Da wird ihr Mann in München vor den Augen seines kleinen Sohnes zusammengeschlagen und erneut verhaftet; das Hotelzimmer wird durchsucht und verwüstet. Das Kind bleibt allein zurück. Noch am gleichen Tag erfährt Ruth Bein von der Verhaftung ihres Mannes und fährt umgehend nach München zurück.
Als erstes legt ihr die Gestapo in zynischer Weise nahe, sich »als Arierin« von ihrem jüdischen Ehemann scheiden zu lassen. Ihm wäre dann die Verschleppung ins KZ sicher und somit seine Ermordung wahrscheinlich gewesen. Aber Ruth Bein weist das Ansinnen weit von sich, sie steht zu ihrem Mann! Wieder setzt sie alle Hebel in Bewegung, um ihn aus dem Gefängnis herauszuholen. Über die Frau des Industriellen Krupp versucht sie, Einfluss zu nehmen. Ohne Scheu wendet sie sich sogar an einen flüchtigen Bekannten aus Görings Umgebung. Außerdem geht es ihr darum, Wilhelm Bein das Leben in der Haftanstalt München-Stadelheim einigermaßen erträglich zu machen. Er sitzt dort Zelle an Zelle mit dem Studenten Hans, dem Bruder von Sophie Scholl. Monate dauert es, bis endlich das Urteil des Sondergerichts ergeht und Ruth Bein die Freilassung ihres Mannes erreicht. Doch als Dr. Wilhelm Bein schließlich entlassen wird, ist er ein schwer kranker Mann. Mit Hingabe pflegt Ruth Bein ihren schwerkranken Mann, der aber 1943 an den Folgen der während seiner Haftzeit erduldeten Misshandlungen verstirbt.
Nach Kriegsende bemüht sich Ruth Bein darum, wieder in ihr Haus in Odenthal-Holz zurückzukehren, zumal das Haus in Köln in Trümmern liegt. Doch die Grenzverhältnisse der damaligen Besatzungszonen sowie die kriegszerstörten Verkehrswege machen es schwierig, einen Umzug überhaupt zu bewerkstelligen. Aber der tatkräftigen Frau gelingt auch dieses Vorhaben. In einem Viehwagen gelangt der gesamte Hausrat bis Burscheid. Von dort aus geht es mit etlichen Pferdefuhren weiter nach Holz. Eine Zeitlang wird das Haus in Holz noch mit den Nonnen geteilt. Dann muss erst einmal das Dach gedeckt werden – es regnet überall durch.
Im Jahre 1975 ist Ruth Bein in diesem Hause gestorben, nachdem sie noch die Freude an einem Enkelkind erlebt hat.
Quelle Text: Bergische Frauen zeigen Zivilcourage im Nationalsozialismus, von Helga Grebing und Christel Wickert in: »frauennews« Frauen im Widerstand und in Opposition(1996), siehe auch: www.frauennews.de/themen/herstory/weltkrieg/widerstand.htm
Herausgeberinnen:
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- Doris Schiffbauer, Gleichstellungsstelle Stadtverwaltung,
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- Ute Ströbel-Dettmer M.A., Gleichstellungsstelle
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