Unternehmer / Zuckerfabrikant
Die Familie vom Rath geht zurück auf Peter aus’m Schlippen († 1630), der in Unterbarmen rechts der Wupper den Hof „auf’m Rath“ bewirtschaftete. Seine Urenkel Hermann (1666 – 1751) und Peter (1675 – 1724) begründeten den Unterbarmener bzw. Elberfelder Stamm der Familie. Johann Jakob d. Ä. (1755 – 1819), Enkel Hermanns aus dem Unterbarmener Stamm und Betreiber der Seifenfabrik „Bredt & Co.“ in Schwelm, eröffnete 1778 in Duisburg ein Speditionsgeschäft, das 1797 als „vom Rath & Bredt“ mit der Schwelmer Unternehmung vereinigt wurde. Zu Beginn des 19. Jh. ging er zur Produktion von Tabak, Seife und Zichorien über.
Da Johann Jakob d. Ä. dem bis zur Wende vom 18. zum 19. Jh. nur in geringen Mengen konsumierten Zucker in und um Duisburg ein größeres Absatzgebiet geschaffen hatte, gründeten seine Söhne, vornehmlich Johann Jakob d. J. (1792 – 1868) und Johann Peter (1795 – 1866), 1822 die erste Zuckerraffinerie in Duisburg („Joh. Jakob vom Rath & Söhne“).
Die beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten des Unternehmens in Duisburg bewogen Johann Jakob d. J. und Johann Peter 1834 zur Übersiedlung nach Köln. Hier entwickelte sich die Firma „Gebr. vom Rath“ bis Anfang der 1840er Jahre zur zweitgrößten Zuckerraffinerie der Rheinmetropole. Die seither stetig wachsende Konkurrenz der Rübenzuckerverarbeitung, eine vorteilhaftere Steuergesetzgebung und das Verbot des gleichzeitigen Betriebs von Raffination und Rübenzuckerproduktion führte 1855 zum Zusammenschluss der alten Duisburger Firma Joh. Jakob vom Rath & Söhne, der Kölner Gebr. vom Rath und den Kölner Raffineuren „Karl Joest & Sohn“ sowie „Gebr. Carstanjen“. 1864 fusionierten sie zum „Rhein. Actien-Verein für Zuckerfabrikation“ mit späterem Hauptsitz in Dormagen.
Die Kölner Raffinerie Gebr. vom Rath wurde 1858 stillgelegt, die Duisburger Fabrik selbständig unter den jüngeren Brüdern Johann Jakobs d. J., Gustav (1807 – 1881) und Theodor (1808 – 1876) weitergeführt. 1867 etablierten die Vettern Arthur (1832 – 1901), Sohn Johann Peters, und Julius (1838 – 1900), Sohn Carls, eines jüngeren Bruders Johann Peters, nochmals eine Rübenzuckerfabrik in Elsen (Rheinland).
Diese und der Rhein. Actien-Verein für Zuckerfabrikation gingen nacheinander an „Pfeifer & Langen“ über. In Koberwitz (Schlesien) gründete Johann Jakob d. J. 1851 erneut eine Rübenzuckerfabrik („Joh. Jakob vom Rath & Co., Breslau“) mit ausgedehnter Landwirtschaft, 1904 aufgegangen in „vom Rath, Schoeller & Skene“. Gegenüber seinem Bruder Johann Peter zeichnete sich Johann Jakob d. J. als der agilere Unternehmer aus, besonders auch durch seine Beteiligungen an fremden Unternehmen der rhein. Industrie. So war er Aufsichtsratsmitglied beim A. Schaaffhausen’schen Bankverein, der Concordia Lebensversicherung, der Rhein. Eisenbahngesellschaft, der Köln. Baumwollspinnerei und -weberei sowie der Rhein. Zeitung, alle mit Sitz in Köln.
Vor seiner Übersiedlung nach Köln war Johann Jakob d. J. Präsident der Duisburger Handelskammer und Mitglied des Stadtrats. Eugen (1823 – 97), sein ältester Sohn, und Emil (1833 – 1923), Sohn Johann Peters, engagierten sich im Rhein. Actien-Verein für Zuckerfabrikation als Aufsichtsratsvorsitzender bzw. Leiter der Fabrik Dormagen.
Emils früh verstorbener Sohn Felix (1866 – 1905) widmete sich nach abgeschlossenem Jurastudium der Musik und studierte Komposition in München bei Ludwig Thuille. Dort gehörte er zu einem Freundeskreis um Richard Strauß, Ludwig Thuille, Max Schillings, Albert Langen und Walter Heymel (Gründer d. Insel Verlags). Sein Vater gründete die „Felix vom Rath-Stiftung“ zur Förderung begabter Musiker. Bruder Gerhard (1830 – 88) war Professor für Mineralogie an der Univ. Bonn. Er stiftete in Köln die Arbeitersiedlung Wilhelmsruhe und gehörte als korr. Mitglied seit 1871 der Preuß. Akademie der Wissenschaften an, seit 1880 auch der Leopoldina. Seine wichtigsten Forschungsgebiete bezogen sich auf die Kristallographie, wobei er zahlreiche neue Mineralspezies entdeckte und beschrieb, u. a. den Tridymit.
Der zweitälteste Sohn Johann Jakobs, Wilhelm (1824 – 85), war seit 1848 Teilhaber des Handelshauses „Deichmann & vom Rath“ und 1877 Mitgründer der „Amstel Suiker Raffinadery“ in Amsterdam. Sein Sohn Walther (1857 – 1940), verheiratet mit Maximiliane (1864 – 1942), Tochter des Chemie-Industriellen Wilhelm Meister (1827 – 95), trat nach einem rechtswissenschaftlichen Studium 1886 in den Aufsichtsrat der Farbwerke „Meister, Lucius & Brüning“ ein und war 1902 – 1925 Aufsichtsratsvorsitzender der nachfolgenden „Farbwerke Hoechst AG“ sowie 1926 – 1932 stellv. Aufsichtsratsvorsitzender in der 1925 gegründeten „I. G. Farben A. G.“. Der enge Freund des Fürsten Bismarck gehörte dem Aufsichtsrat mehrerer Unternehmen des Frankfurter Raums an sowie dem preuß. Abgeordneten- und Herrenhaus. Walthers Tochter Eugenie (* 1889) war verheiratet mit Dr. Louis Leisler Kiep (1884 – 1962), stellv. Aufsichtsratsvorsitzender der Farbwerke Hoechst AG und Geschäftsführer der „vom Rath Adminstration Co. Ltd. m. b. H.“ in Frankfurt/M.
Adolf (1832 – 1907), Neffe Johann Jakobs d. J. und Johann Peters, wurde erfolgreicher Bankier in Berlin und Mitbegründer der „Dt. Bank“. Aus dem Elberfelder Stamm zeichnete sich Peter v. R. (1792-1861) durch den Kauf des Ritterguts Lauersfort in Moers b. Krefeld aus.
In allen Generationen versippten sich die Rath`s. mit anderen bedeutenden Unternehmerfamilien, in der Generation Johann Jakobs d. J. mit den rhein. Familien Bredt, Böninger, Carstanjen, Davidis und Merrem. Johann Jakobs d. J. Kinder und Enkel heirateten in die Kölner Familien Deichmann, Joest, Langen, Michels, v. Mallinckrodt, Mumm v. Schwarzenstein, Schnitzler und Stein ein. Nachkommen des Peter v. R. aus Moers heirateten ein in die teils adligen Familien der Krefelder Seidenfabrikanten von d. Leyen, de Greiff und Scheibler sowie den Bankiers v. Beckerath. Peters Urenkel Erich (* 1881) und Gustav (* 1888) wirkten in Bonn als Direktor der Universitätsbibliothek bzw. als Fabrikdirektor.
Im 20. Jh. traten besonders hervor Ernst (1909 – 38), Ewald (1906 – 86) und Karl (1915 – 86). Ernst, Urenkel des Gustav, trat 1934 in den Auswärtigen Dienst des Dt. Reichs ein. Den Vorbereitungsdienst absolvierte er als persönlicher Sekretär seines Onkels Roland Köster (1883 – 1935). wurde er als Legationssekretär an die Botschaft nach Paris beordert. Seine Ermordung am 7.11.1938 durch Herschel Grynszpan (* 1921) benutzte das NS-Regime als Vorwand für die „Reichskristallnacht“.
Ewald, Sohn von Johann August und Adele, geb. Weber, wurde 1939 Amtsgerichtsrat in Duisburg, 1948 Oberlandesgerichtsrat in Düsseldorf; 1949 gehörte er zu den Mitbegründern des dt. Richterbundes. Seit 1951 Mitglied des Bochumer Stadtrats, leitete er bis zu seiner Pensionierung das Rechtsreferat. 1955 – 73 stand er der Historischen Kommission des Kartellverbands kath. dt. Studentenvereine vor. Der Kunsthistoriker Karl (1915 – 86), Sohn des Julius, wirkte 1950 – 70 als Kulturdezernent in Frankfurt/M..
Quelle Text: Oepen-Domschky, Gabriele, “Rath, vom” in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 170-72 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139116001.html#ndbcontent
Abgerufen am 19.03.2021